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NARKOLEPSIE<br />

Fortbildung<br />

Trigger (z.B. Berühren) kann die Dauer<br />

einer Schlafparalyse verkürzt werden.<br />

Störung des Nachtschlafes: Patienten<br />

mit Narkolepsie schlafen meist sehr<br />

schnell ein. Häufig kommt es allerdings<br />

zu mehrfachem Erwachen während der<br />

Nacht. Insgesamt schlafen Patienten mit<br />

Narkolepsie über 24 h nicht mehr als<br />

Gesunde, allerdings ist die Verteilung des<br />

Schlafes über 24 Stunden meist unterschiedlich<br />

im Vergleich zu Gesunden.<br />

Krankheitsverlauf<br />

Die Narkolepsie beginnt meist im<br />

Jugend- bzw. jungen Erwachsenenalter.<br />

Nicht selten ist Betroffenen ein unmittelbarer<br />

Auslöser erinnerlich (z.B. Infekt,<br />

Stress, Operation, Impfung). Die Patientin<br />

mit spätestem Beginn, die an unserem<br />

Zentrum diagnostiziert wurde, war bei<br />

Erkrankungsbeginn 69 Jahre alt. Es besteht<br />

keine Assoziation zwischen Alter<br />

bei Erkrankungsbeginn und Schweregrad<br />

der einzelnen Symptome. Bei den<br />

meisten Patienten ist erhöhte Tagesschläfrigkeit<br />

das Erstsymptom. Kataplexien<br />

treten häufig erst Jahre später auf.<br />

Die Narkolepsie ist eine lebenslange<br />

Erkrankung.<br />

Pathophysiologie<br />

Es handelt sich um eine autoimmunologisch<br />

bedingte Erkrankung. Dies<br />

wurde zwar bereits seit Jahren vermutet,<br />

konnte jedoch erst kürzlich in einer<br />

genetischen Untersuchung, an der auch<br />

unser Zentrum mitwirkte, bestätigt werden.<br />

Neben der charakteristischen HLA<br />

Typisierung (meist HLA DQB1*0602,<br />

HLA DR1*1501, siehe unter Diagnostik),<br />

konnte in oben genannter Untersuchung<br />

eine Variante im T-Zell Rezeptor<br />

Locus alpha nachgewiesen werden.<br />

Neben diesen beiden genetisch determinierten<br />

Faktoren, ist für den Ausbruch<br />

der Erkrankung ein weiterer Faktor<br />

(z.B. eine Infektion) verantwortlich.<br />

Konsekutiv kommt es über eine autoimmunologische<br />

Reaktion zum Untergang<br />

der Hypocretin (Orexin)- produzierenden<br />

Zellen im dorsolateralen Hypothalamus.<br />

Bei Patienten mit Narkolepsie<br />

sind 85–95% der hypocretinergen Zellen<br />

zerstört. Hypocretin ist ein Botenstoff<br />

mit zahlreichen Funktionen, u.a.<br />

spielt er eine wichtige Rolle in der<br />

Wachregulation, aber auch in der Regulation<br />

von Muskeltonus und Nahrungsaufnahme.<br />

Im Tiermodell zeigen Hypocretinrezeptor-Knock-out<br />

Mäuse und<br />

Tabelle 1<br />

Narkolepsie mit Kataplexie Narkolepsie ohne Kataplexie<br />

A. Erhöhte Tagesschläfrigkeit ≥ 3 Monate A. Erhöhte Tagesschläfrigkeit ≥ 3 Monate<br />

B. Typische Kataplexien sind vorhanden B. Typische Kataplexien fehlen<br />

(plötzlicher passagerer Muskeltonusverlust<br />

getriggert durch Emotionen)<br />

C. Bestätigung mittels Polysomnographie und C. Bestätigung mittels Polysomnographie und<br />

Multiplem Schlaflatenztest (mittlere Ein- Multiplem Schlaflatenztest (mittlere<br />

schlaflatenz < 8 Minuten* plus ≥ 2 Sleep Einschlaflatenz < 8 Minuten* plus ≥ 2 Sleep<br />

Onset REM Phasen) Onset REM Phasen)<br />

oder<br />

Hypocretin-Orexin Spiegel ist im Liquor<br />

erniedrigt (≤ 113 pg/mL)<br />

adaptiert nach ICSD-2<br />

* Schlaflatenzen unter acht Minuten sind nicht spezifisch und können auch in anderem Zusammenhang<br />

vorkommen.<br />

Hunde mit Defekt im Hypocretinrezeptor<br />

Symptome einer Narkolepsie. Im<br />

Gegensatz zum Menschen, bei dem die<br />

Narkolepsie überwiegend sporadisch<br />

auftritt, handelt es sich bei der Narkolepsie<br />

beim Hund um eine autosomal<br />

rezessiv vererbte Erkrankung. Mutationen<br />

im Hypocretinrezeptor spielen<br />

beim Menschen eine vernachlässigbare<br />

Rolle.<br />

Diagnostik<br />

Die Diagnose Narkolepsie wird<br />

anhand der 2005 revidierten Kriterien<br />

der Internationalen Klassifikation der<br />

Schlafstörungen (International Classification<br />

of Sleep Disorders, ICSD-2)<br />

gestellt (siehe Tabelle 1). Die Ursachen<br />

für erhöhte Tagesschläfrigkeit sind zahlreich.<br />

Bei klinisch nicht näher zuordenbarer<br />

erhöhter Tagesschläfrigkeit ist zur<br />

weiteren Abklärung eine Zuweisung ins<br />

neurologische Schlaflabor indiziert. Im<br />

Schlaflabor wird neben einer Polysomnographie<br />

eine Tagschlafableitung mittels<br />

Multiplem Schlaflatenztest (MSLT)<br />

mit fünf Durchgängen à 20 Minuten<br />

durchgeführt. Zur Diagnosestellung<br />

einer Narkolepsie sind neben der typischen<br />

Anamnese und nach Ausschluss<br />

anderer Ursachen für erhöhte Tagesschläfrigkeit<br />

eine mittlere Einschlaflatenz<br />

< 8 Minuten und das Auftreten von<br />

mindestens 2 Sleep-Onset REM Phasen<br />

(Auftreten von Stadium R in den ersten<br />

15 Minuten Schlaf) im MSLT gefordert.<br />

Ergänzend erfolgt eine Laborabnahme<br />

zur HLA Typisierung. HLA DQB1*0602<br />

und HLA DRB1*1501 sind beispielsweise<br />

bei 93% aller Patienten mit Narkolepsie<br />

mit Kataplexie positiv. Allerdings<br />

ist die Spezifität der HLA<br />

Typisierung nur gering, da auch ca. 25%<br />

der normalen Bevölkerung HLA positiv<br />

sind. Neu laut ICSD-2 ist, dass bei<br />

Patienten mit erhöhter Tagesschläfrigkeit<br />

und Kataplexien anstelle der Polysomnographie<br />

eine Bestimmung von<br />

Hypocretin im Liquor zur Diagnosestellung<br />

möglich ist. Bei der Narkolepsie mit<br />

typischen Kataplexien ist der Hypocretinwert<br />

meist < 113 pg/mL (Sensitivität<br />

87%, Spezifität 99%). In der Praxis spielt<br />

die Liquordiagnostik noch keine Rolle,<br />

da Resultate erst Wochen bis Monate<br />

nach der Untersuchung erhalten werden.<br />

Derzeit gibt es in Österreich noch<br />

kein Labor, welches eine Hypocretin/<br />

Orexin Bestimmung durchführt. Zum<br />

Ausschluss einer symptomatischen Narkolepsie<br />

ist bei jedem Patienten eine<br />

zerebrale MRT Bildgebung erforderlich.<br />

Therapie<br />

Mittlerweile stehen für die Therapie<br />

der Narkolepsie mit oder ohne Kataplexie<br />

zahlreiche Medikamente zur Verfügung.<br />

Neben allgemeinen verhaltensmodifizierenden<br />

Maßnahmen (gute Schlafhygiene,<br />

regelmäßige Naps untertags)<br />

stehen für die einzelnen Symptome der<br />

Narkolepsie [erhöhte Tagesschläfrigkeit,<br />

REM-Schlaf Symptome (Kataplexie,<br />

hypnagoge/hypnopompe Halluzinationen,<br />

Schlafparalyse), Schlaffragmentierung]<br />

zahlreiche unterschiedliche Medikamente<br />

zur Verfügung. Die Auswahl<br />

der jeweiligen Medikamente (in den<br />

meisten Fällen Zweifachkombination)<br />

ist auf die Beschwerden des einzelnen<br />

Patienten individuell abzustimmen.<br />

Allein für die Therapie der erhöhten<br />

Tagesschläfrigkeit stehen zahlreiche<br />

Medikamente zur Verfügung, wobei<br />

Modafinil, welches in Österreich für die<br />

Behandlung der Narkolepsie seit 1998<br />

zugelassen ist, sicher eines der häufigsten<br />

gebrauchten Medikamente darstellt.<br />

Typische Dosen betragen 200–400 mg.<br />

seite 16 DER MEDIZINER <strong>12</strong>/20<strong>09</strong>

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