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Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

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Das traditionelle Bewußtseinssubjekt trägt zwei Defizite mit sich; es hatte das leibliche<br />

und das sprachliche Fundament des Subjektseins weitgehend ignoriert, jedenfalls nicht<br />

explizit thematisiert. Nach Ebeling läßt sich das Bewußtseinssubjekt als Subjekt des<br />

bewußten Seins jedoch „erst nach der Abarbeitung des Existenz- wie des Sprachsubjekts<br />

erkennen“ 15 . Es muß mit diesen „Präsubjekten“ vermittelt werden, und zwar nicht, indem<br />

es durch diese ergänzt wird, sondern indem ein Durchgang durch das Existenz- wie<br />

das Sprachsubjekt vollzogen wird, so daß dann das Bewußtseinssubjekt als Subjekt des<br />

bewußten Seins zu erkennen ist. Es muß dabei seine Endlichkeit wie auch seine Intersubjektivität<br />

16 aufnehmen und konstituiert sich so in seiner Transsubjektivität als bewußtes<br />

Sein. „Transsubjektiv ist das bewußte Sein als der Zusammenschluß der Intersubjektivität<br />

des Verstehens mit der bloßen Subjektivität der Endlichkeit.“ 17<br />

Eine ähnliche Bestandsaufnahme untern<strong>im</strong>mt auch Odo Marquard. 18 Er sieht die Frage<br />

nach dem Subjekt der <strong>Geschichte</strong> als ein Folgeproblem der Geschichtsphilosophie.<br />

Schon Hegels Geschichtsphilosophie hat statt des Volkes den Staat und den Weltgeist<br />

als Subjekt der <strong>Geschichte</strong> verpflichtet. Hermann Lübbe und Jürgen Habermas interpretieren<br />

das – nach Marquard – so, daß der geschichtsmündig gewordene Mensch für das<br />

Subjekt der <strong>Geschichte</strong> eine Instanz benennt, die nicht konkret besetzt und damit funktionsunfähig<br />

ist. Dabei plädiere Lübbe für die Aufrechterhaltung dieser Vakanz, Habermas<br />

dagegen. Nach Marquard zeigt diese Diskussionslage mindestens, daß die Frage<br />

nach dem Subjekt der <strong>Geschichte</strong> sich <strong>im</strong>mer noch stellt. 19 Fraglich gemacht wird ein<br />

Subjekt der <strong>Geschichte</strong> durch unterschiedlichste geistesgeschichtliche Strömungen, die<br />

Marquard als „Schwundstufen der Geschichtsphilosophie“ qualifiziert. Dazu gehören<br />

ein „fortschrittstheoretischer Positivismus“, der sich auf Wissenschaft und Technik beschränkt,<br />

revolutionäre Intentionen und politische Probleme beiseite läßt. Weiter ein<br />

„Existentialismus“, der die Geschichtlichkeit des Menschen auf ein „Sein zum Tode“<br />

reduziert. Dann eine „Hermeneutik“, die die Individualität betont und den Menschen auf<br />

ein „Sein zum Text“ festlegt. Schließlich erledigt sich die Frage nach dem Subjekt der<br />

<strong>Geschichte</strong> „dort von selbst, wo statt der <strong>Geschichte</strong> und statt des Subjekts die Struktur<br />

interessiert“ 20 .<br />

Die Krise der Rede vom Subjekt kann auf einer abstrakteren Ebene auch als Krise der<br />

neuzeitlichen Subjektivität rekonstruiert werden. 21 Subjektivität als Theoriebegriff hängt<br />

15 Ebeling, Subjekt 22.<br />

16 Auf die Endlichkeit des Bewußtseinssubjekts weist die Existentialanalytik Heideggers hin, auf die<br />

Intersubjektivität die Sprachpragmatik Habermas’; vgl. Ebeling, Subjekt 20ff.<br />

17 Ebeling, Subjekt 25. Diese transsubjektive Konstitution des Bewußtseins ist für Ebeling die Bedingung<br />

dafür, daß die Moderne nicht in die Postmoderne abkippt, wie auch dafür, „an der Vernunftabsicht<br />

auf Verbesserung unabsehbar festzuhalten“ (27).<br />

18 Odo Marquard, Die Geschichtsphilosophie und ihre Folgelasten, in: PH 5, 463–469.<br />

19 Marquard, Geschichtsphilosophie 464f.<br />

20 Marquard, Geschichtsphilosophie 467f.<br />

21 Vgl. dazu Ingolf U. Dalferth, Subjektivität und Glaube. Zur Problematik der theologischen Verwendung<br />

einer philosophischen Kategorie, in: NZSTh 36/1994, 18–58. Dalferth unterscheidet zwei<br />

Haupttypen philosophischer Subjektivitätskritik (43ff). Der erste Typ „kritisiert best<strong>im</strong>mte Versionen<br />

der Subjektivitätstheorie (…), nicht aber die Subjektivitätstheorie überhaupt“, sondern „Subjektivitätstheorie<br />

wird durch Intersubjektivitätstheorie abgelöst“ (43; vgl. auch 45f). Der zweite Typ stellt<br />

„subjektivitätstheoretische Ansätze überhaupt in Frage (…), indem er deren Voraussetzungen proble-<br />

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