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Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

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4 Subjekt der <strong>Geschichte</strong><br />

4.1 Einleitung<br />

Der Mensch denkt: Gott lenkt.<br />

Bert Brecht<br />

Der Begriff des Subjektes als konstitutiv für den Begriff der <strong>Geschichte</strong> kann auf unterschiedliche<br />

Weise eingeführt werden. Die naheliegendste Weise ist es, auf die durch<br />

Subjekte vollbrachten Handlungen zu rekurrieren. Dies ist zum einen die Bedeutung, in<br />

der in der Alltagssprache der Ausdruck „Subjekt“ verwendet wird; zum anderen legt<br />

sich diese Bedeutung grammatikalisch nahe. Wenn <strong>Geschichte</strong> durch Handlungen konstituiert<br />

wird, wie oben dargelegt, und zugleich von Handlungen handelt, dann ist weiter<br />

nach den die Handlungen vollziehenden Subjekten zu fragen. Davon zu unterscheiden<br />

ist die Rede von Subjekten (in) der <strong>Geschichte</strong>, an denen Handlungen vollzogen werden,<br />

die <strong>Geschichte</strong> erleiden. Beide Zugänge werden unter den Begriffen Handlungs- und<br />

Referenzsubjekt zu bearbeiten sein (4.3). Zuvor ist jedoch der Begriff des Subjektes<br />

selbst zu problematisieren. Dazu gehe ich in der gebotenen Kürze auch auf neuere Subjekttheorien<br />

ein (4.2). Schließlich (4.4) unterbreite ich einen Vorschlag zur Differenzierung<br />

der Rede vom Subjekt der <strong>Geschichte</strong>.<br />

4.2 Zur <strong>Geschichte</strong> des Subjekts<br />

Die Bedeutung des Ausdrucks Subjekt ist vielfältig und unterlag in der <strong>Geschichte</strong><br />

einem gewissen Wandel. 1 Bis zum 18. Jahrhundert wurde unter Subjekt das vom Erkennen<br />

unabhängige Seiende, von dem etwas ausgesagt wird, verstanden. Es galt als der<br />

substantielle Träger von Zuständen, Eigenschaften und Wirkungen. 2 Unter Objekt verstand<br />

man dasjenige, was als Eindruck, Vorstellung oder Begriff <strong>im</strong> Bewußtsein dem<br />

Seienden, dem Subjekt der äußeren Wirklichkeit, objiziert wird. Subjekt bezeichnete<br />

also das Seiende der Außenwelt, Objekt dessen Vorstellung <strong>im</strong> erkennenden Ich. In der<br />

Neuzeit kehrte sich dieser Sprachgebrauch quasi um. Objekt sind nun die Erscheinungen<br />

der Außenwelt, die vom erkennenden Ich subjektiviert werden. Die Wendung zum philosophischen<br />

Selbstbewußtsein und die daraus folgende Konzeption des erkenntnistheoretischen<br />

Idealismus führten zum heutigen Sprachgebrauch von Subjekt. 3 Das erkenntnistheoretische<br />

Subjekt schafft sich seine Gegenstände in seinem Bewußtsein<br />

1 Über die <strong>Geschichte</strong> des philosophischen Ich-Begriffs von der Antike bis Freud informiert Christoph<br />

Riedel, Subjekt und Individuum, Darmstadt 1989.<br />

2 Vgl. K. Oehler, Art. Subjekt und Objekt, RGG 3 Bd. 6, 448–451. In der grammatikalischen Stellung<br />

des Subjekts, dem Prädikate zugeordnet werden, ist diese Bedeutung noch erhalten.<br />

3 Insofern ist der Begriff des Subjekts eine neuzeitliche „Erfindung“. Vgl. Manfred Frank, Subjekt,<br />

Person, Individuum, in: Manfred Frank / Gérard Raulet / Willem van Reijen (Hg.), Die Frage nach<br />

dem Subjekt, Frankfurt/M. 1988, 7–28, hier 9. Der Sache nach gab es aber auch <strong>im</strong> vorneuzeitlichen<br />

Denken das Bewußtsein vom erkennenden Subjekt.<br />

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