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Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

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3 Handlung und <strong>Geschichte</strong><br />

3.1 Einleitung<br />

Je planmäßiger die Menschen vorgehen,<br />

desto wirksamer trifft sie der Zufall.<br />

Friedrich Dürrenmatt<br />

<strong>Geschichte</strong> 1 und Handlung hängen zusammen. Das wird schon bei einem Blick in Geschichtsbücher<br />

deutlich. Dort werden Handlungen und Ereignisse erzählt, mit Daten<br />

versehen. Die Menschen, von denen <strong>Geschichte</strong>n erzählt werden, sind handelnde Wesen.<br />

Die Fähigkeit, handeln zu können, zeichnet den Menschen gegenüber anderen Lebewesen<br />

aus. Der Slogan „<strong>Geschichte</strong> wird gemacht“ drückt beides aus; ein „Machen“,<br />

also ein Handeln konstituiert <strong>Geschichte</strong>; und die passive Formulierung weist auf ein<br />

Subjekt hin, das dieses Machen vollzieht. 2 „Machen“ bzw. „Handeln“ sind aber noch<br />

näher zu präzisieren, um das Verhältnis von Handeln und <strong>Geschichte</strong> genauer best<strong>im</strong>men<br />

zu können. Ich werde mich dabei auf den Begriff des „Handelns“ beschränken; das<br />

hat zum einen Gründe in der wissenschaftlichen Diskussionslage, die sich diesem Begriff<br />

intensiv gewidmet hat. Das hat aber auch sachliche Gründe, wie sich zeigen wird.<br />

Vorneweg sei dazu nur als Andeutung gesagt, daß „Machen“ als Ausdruck der Umgangssprache<br />

als Oberbegriff zu „Handeln“ verstanden werden kann, da „Handeln“ anders<br />

als „Machen“ ein bewußt agierendes Subjekt mit Wahlfreiheit <strong>im</strong>pliziert.<br />

Zunächst ist bei der Frage nach dem Verhältnis von Handlung und <strong>Geschichte</strong> auf ein<br />

Grundproblem hinzuweisen, das einem Grundproblem der Frage der Zeit ähnlich ist. Es<br />

besteht darin, daß das Nachdenken über Handlung selbst als Handlung verstanden werden<br />

kann. Inwiefern das so ist, wird bei der phänomenologischen Beschreibung des<br />

Handlungsbegriffs und seiner Differenzierungen deutlich werden (3.2). Wie bei der Erörterung<br />

des Zeitbegriffs werden dabei auch die Verhältnisbest<strong>im</strong>mungen von Handlung<br />

und Subjekt und Handlung und Sprache angesprochen werden müssen. Nach dieser Annäherung<br />

an den Begriff der Handlung wird die Bedeutung von Handeln für die <strong>Geschichte</strong><br />

thematisiert werden. Ich werde dabei, ausgehend von einem präzisierten<br />

Handlungsbegriff, aktive und passive Aspekte unterscheiden (3.3). Schließlich möchte<br />

ich ein Verständnis von <strong>Geschichte</strong> als Konstruktion durch Handeln entwickeln (3.4).<br />

1 In diesem Abschnitt meint der Ausdruck „<strong>Geschichte</strong>“ in der Regel „<strong>Geschichte</strong> <strong>im</strong> Singular“, nicht<br />

den Kollektivsingular als Bezeichnung für ein Gesamt von <strong>Geschichte</strong>(n). Gleichwohl wird sich zeigen,<br />

daß auch <strong>Geschichte</strong> als Kollektivsingular durch ein Handeln konstituiert wird.<br />

2 Zur Entstehung der Vorstellung der Machbarkeit von <strong>Geschichte</strong> und deren Grenzen siehe Reinhart<br />

Koselleck, Über die Verfügbarkeit der <strong>Geschichte</strong>, in: ders., Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher<br />

Zeiten, Frankfurt/M. 1992 2 , 260ff.<br />

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