02.12.2012 Aufrufe

Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

ist die Bedingung der Möglichkeit des in die Existenz-Tretens des Seins, die Möglichkeitsbedingung<br />

des Seienden als Seiendes. Sein und Zeit sind untrennbar miteinander<br />

verbunden. Heidegger sieht die Zeit als Ableitung der Zeitlichkeit, deren pr<strong>im</strong>äre D<strong>im</strong>ension<br />

die Zukunft ist. Die Zeitlichkeit hat unterschiedliche Bezugsreihen. Sie kann<br />

bezogen werden auf das Verhältnis von Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft, sie kann<br />

aber auch bezogen werden auf Früher – Später. Lévinas best<strong>im</strong>mt die Zeit als Bedingung<br />

der Möglichkeit des Erscheinens von Sein. Die Gegenwart stellt für ihn die<br />

Grenze von Sein und Seiendem dar und ist dadurch der fundamentale Modus der Zeit.<br />

Innerhalb einer Ontologie der Zeit werden die Gewichte unterschiedlich gesetzt. Eine<br />

Linie weist der Gegenwart eine Prävalenz zu, eine andere der Zukunft. Es fällt auf, daß<br />

in der bisherigen Erörterung der Modus der Vergangenheit kaum aufgetaucht ist. Der<br />

Mensch als der Zeit bewußtes Wesen verdankt dieses Bewußtsein aber einer vergangenen<br />

Zeit, die sicher <strong>im</strong> Sinne Husserls weiter wirksam ist, auch über James’ specious<br />

present hinaus.<br />

Lyotard weist darüber hinaus auf die Relation von Zeit und Sprache hin, genauer auf die<br />

Vorgängigkeit der Sprache. Damit wird thematisiert, daß auch die Zeit sprachlich vermittelt,<br />

erst durch Sprache als Zeit bzw. Zeitlichkeit bewußt wird. Damit ist neben dem<br />

Handeln ein weiterer Aspekt genannt worden, der für das Verständnis von <strong>Geschichte</strong><br />

relevant ist und bereits das Verständnis von Zeit mitbest<strong>im</strong>mt.<br />

2.2.8.3 Zeitbewußtsein<br />

Das Bewußtsein von Zeit ist selbst zeitlich, geschichtlich vermittelt, und zwar sowohl<br />

phylogenetisch als auch ontogenetisch. Das Zeitbewußtsein hängt dabei, wie <strong>im</strong> Folgenden<br />

bei den Zeitmodellen zu sehen sein wird, auch von kulturellen Faktoren ab. Insofern<br />

ist das Zeitbewußtsein ein kontextuelles. 109 Auch die Beobachtungen und Überlegungen<br />

zur Wahrnehmung und Ontologie der Zeit sind kontextuell bedingt. Dennoch läßt sich<br />

feststellen, daß das Ausbilden eines Bewußtseins von Zeit zur Person konstitutiv dazugehört.<br />

Das jeweilige Zeitbewußtsein prägt auch das Geschichtsbewußtsein.<br />

Je nach Ansatz wird also ein spezieller Aspekt von Zeit oder Zeitlichkeit betont und als<br />

Ausgangspunkt genommen oder durch die jeweilige Analyse als grundlegend erkannt.<br />

Das Wesentliche an der Zeit wird als fließender Charakter oder als ihr Zu-Kommen verstanden.<br />

Insgesamt zeigt sich, daß Zeit einen apriorischen Charakter hat, und zwar in einem doppelten<br />

Sinn. Zum einen vollzieht sich jedes Denken und Handeln in der Zeit, Zeitlichkeit<br />

gehört also zur Verfaßtheit der Welt. Zum anderen besteht eine konstitutive Beziehung<br />

von Sein, Seiendem und Zeit, Zeit ist also eine fundamentale ontologische Kategorie.<br />

Ohne Zeit läßt sich Welt – und <strong>Geschichte</strong> – nicht wahrnehmen und nicht<br />

verstehen.<br />

109 Die Kontextualität von Zeitwahrnehmung und Zeitbewußtsein läßt sich auch in der Kunst ablesen.<br />

Vgl. etwa zum Film Karl F. Gr<strong>im</strong>mer, (Post)modern T<strong>im</strong>es. Theologische Anmerkungen zur Zeiterfahrung<br />

<strong>im</strong> Film, in: Wolfgang Sommer (Hg.), Zeitenwende – Zeitenende. Beiträge zur<br />

Apokalyptik und Eschatologie (Theologische Akzente 2), Stuttgart 1997, 191–209.<br />

56

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!