Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

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02.12.2012 Aufrufe

werden, die Form, in der sich Gott selbst mitteilt – im Plural. Jene eine Geschichte des Jesus von Nazareth besitzt freilich aus der Perspektive des Glaubens die Kompetenz, die vielen Geschichten heilsam auf sich und aufeinander zu beziehen. Sie gibt die Lektüre– regel für die Geschichten ab, und nur im Blick auf sie ließe sich von einer „Theologie der (einen) Geschichte“ sprechen. „Klein“ wäre aber auch diese Theologie zu nennen, da sie darum wissen müßte, daß diese eine Geschichte eben eine Geschichte unter anderen ist. Und weil sie wissen sollte, daß eine dieser anderen Geschichten aus anderer Perspektive die Funktion und Kompetenz dieser einen Geschichte übernehmen kann. Eine „kleine“ Theologie schließlich auch, weil die Theologie sich in der Rolle des Zwerges keineswegs unwohl fühlen muß. 17 Sie würde in ihrer Performanz dem Gott entsprechen, der sich selbst entäußerte, der „ein Kindlein klein“ 18 wurde und Teil der Geschichte. 17 Vgl. Walter Benjamin, Über den Begriff der Geschichte (1940), Gesammelte Schriften, Bd. I.2., hg. v. R.Tiedemann / H. Schweppenhäuser, Frankfurt/M. 1974, 691–704, These 1, wo die Theologie, „die heute bekanntlich klein und häßlich ist und sich ohnehin nicht darf blicken lassen“ mit dem Zwerg im Schachautomaten gleichgesetzt wird. Zur Diskussion um die (gegensätzlich beantwortete) Frage, ob die Puppe (historischer Materialismus) den Zwerg (die Theologie) in den Dienst nimmt oder umgekehrt vgl. Lutz Niethammer, Posthistoire. Ist die Geschichte zu Ende, Reinbek 1989, 121ff. Zur theologischen Diskussion um die Geschichtsthesen vgl. Joachim von Soosten, Ethischer Skeptizismus und revolutionärer Aktualismus. Die theologischen Wurzeln des Zeitbegriffs in Walter Benjamins Thesen „Über den Begriff der Geschichte“ und dessen politisch-ethische Implikationen, in: ZEE 32/1988, 36–46; Josef Wohlmuth, Zur Bedeutung der „Geschichtsthesen“ Walter Benjamins für die christliche Eschatologie, in: EvTh 50/1990, 2–20 sowie die Replik von Gareth Jones, Kritische Theologie. Eine Antwort auf J. Wohlmuths Beitrag „Zur Bedeutung der ‚Geschichtsthesen‘ Walter Benjamins für die christliche Eschatologie“, in: EvTh 50/1990, 20–26. 18 Nikolaus Herman, Lobt Gott ihr Christen alle gleich, EG 27,2. (Ich schreibe diesen Text am ersten 290 Advent.)

LITERATURVERZEICHNIS Acham, Karl, Analytische Geschichtsphilosophie. Eine kritische Einführung, Freiburg/ München 1974. Achtner, Wolfgang / Kunz, Stefan / Walter, Thomas, Dimensionen der Zeit. Die Zeit- strukturen Gottes, der Welt und des Menschen, Darmstadt 1998. Albert, Hans, Die Wissenschaft und die Fehlbarkeit der Vernunft, Tübingen 1982. – Traktat über kritische Vernunft, Tübingen 1991 5 . Alt, Albrecht, Zur Geschichte des Volkes Israel, München 1979 2 . Althaus, Paul, Die letzten Dinge. Entwurf einer christlichen Eschatologie, Gütersloh 1922. – Offenbarung als Geschichte und Glaube. Bemerkungen zu Wolfhart Pannenbergs Begriff der Offenbarung, in: ThLZ 87/1962, 321–330. – Theologie der Ordnungen, Gütersloh 1934. Altner, Günter (Hg.), Die Welt als offenes System. Eine Kontroverse um das Werk von Prigogine, Frankfurt/M. 1986. Amery, Carl, Das Ende der Vorsehung, München 1972. Anderson, Perry, Zum Ende der Geschichte, Berlin 1993. Angehrn, Emil, Geschichtsphilosophie, Stuttgart 1991. Ariès, Philippe, Zeit und Geschichte, Frankfurt/M. 1988. – / Georges Duby (Hg.), Geschichte des privaten Lebens. Frankfurt/M. 1995. Augustinus, Bekenntnisse, München 1986 4 . Austin, John L., Zur Theorie der Sprechakte (How to do things with words), Stuttgart 1989 2 . Balthasar, Hans Urs von, Das Ganze im Fragment. Aspekte der Geschichtstheologie, Einsiedeln 1963. Barnikol-Oettler-Jörgensen, Bernhard, Das situierte Subjekt. Philosophische, psychologische und theologische Untersuchungen, Essen 1996. Bartelmus, Rüdiger, HYH. Bedeutung und Funktion eines hebräischen „Allerwelts- wortes“, St. Ottilien 1982. Barth, Karl, Die Kirchliche Dogmatik. Studienausgabe, Zürich 1986. – Der Römerbrief, München 1922 2 , 1923 3 . Baudrillard, Jean, Das Jahr 2000 findet nicht statt, Berlin 1990. Baumgartner, Hans Michael, Kontinuität als Paradigma historischer Konstruktion, in: PhJ 79/1972, 254–268. – Kontinuität und Geschichte, Frankfurt/M. 1972. – (Hg.), Das Rätsel der Zeit. Philosophische Analysen, Freiburg/München 1993. – (Hg.), Prinzip Freiheit. Eine Auseinandersetzung um Chancen und Grenzen transzendentalphilosophischen Denkens, München 1979. 291

werden, die Form, in der sich Gott selbst mitteilt – <strong>im</strong> Plural. Jene eine <strong>Geschichte</strong> des<br />

Jesus von Nazareth besitzt freilich aus der Perspektive des Glaubens die Kompetenz, die<br />

vielen <strong>Geschichte</strong>n heilsam auf sich und aufeinander zu beziehen. Sie gibt die Lektüre–<br />

regel für die <strong>Geschichte</strong>n ab, und nur <strong>im</strong> Blick auf sie ließe sich von einer „Theologie<br />

der (einen) <strong>Geschichte</strong>“ sprechen. „Klein“ wäre aber auch diese Theologie zu nennen,<br />

da sie darum wissen müßte, daß diese eine <strong>Geschichte</strong> eben eine <strong>Geschichte</strong> unter<br />

anderen ist. Und weil sie wissen sollte, daß eine dieser anderen <strong>Geschichte</strong>n aus anderer<br />

Perspektive die Funktion und Kompetenz dieser einen <strong>Geschichte</strong> übernehmen kann.<br />

Eine „kleine“ Theologie schließlich auch, weil die Theologie sich in der Rolle des<br />

Zwerges keineswegs unwohl fühlen muß. 17 Sie würde in ihrer Performanz dem Gott<br />

entsprechen, der sich selbst entäußerte, der „ein Kindlein klein“ 18 wurde und Teil der<br />

<strong>Geschichte</strong>.<br />

17 Vgl. Walter Benjamin, Über den Begriff der <strong>Geschichte</strong> (1940), Gesammelte Schriften, Bd. I.2., hg.<br />

v. R.Tiedemann / H. Schweppenhäuser, Frankfurt/M. 1974, 691–704, These 1, wo die Theologie,<br />

„die heute bekanntlich klein und häßlich ist und sich ohnehin nicht darf blicken lassen“ mit dem<br />

Zwerg <strong>im</strong> Schachautomaten gleichgesetzt wird. Zur Diskussion um die (gegensätzlich beantwortete)<br />

Frage, ob die Puppe (historischer Materialismus) den Zwerg (die Theologie) in den Dienst n<strong>im</strong>mt<br />

oder umgekehrt vgl. Lutz Niethammer, Posthistoire. Ist die <strong>Geschichte</strong> zu Ende, Reinbek 1989,<br />

121ff. Zur theologischen Diskussion um die Geschichtsthesen vgl. Joach<strong>im</strong> von Soosten, Ethischer<br />

Skeptizismus und revolutionärer Aktualismus. Die theologischen Wurzeln des Zeitbegriffs in Walter<br />

Benjamins Thesen „Über den Begriff der <strong>Geschichte</strong>“ und dessen politisch-ethische Implikationen,<br />

in: ZEE 32/1988, 36–46; Josef Wohlmuth, Zur Bedeutung der „Geschichtsthesen“ Walter Benjamins<br />

für die christliche Eschatologie, in: EvTh 50/1990, 2–20 sowie die Replik von Gareth Jones, Kritische<br />

Theologie. Eine Antwort auf J. Wohlmuths Beitrag „Zur Bedeutung der ‚Geschichtsthesen‘<br />

Walter Benjamins für die christliche Eschatologie“, in: EvTh 50/1990, 20–26.<br />

18 Nikolaus Herman, Lobt Gott ihr Christen alle gleich, EG 27,2. (Ich schreibe diesen Text am ersten<br />

290<br />

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