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Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

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tigen. Ich plädiere daher mit meinen Ausführungen für eine „K(l)eine Theologie der <strong>Geschichte</strong>(n)“,<br />

wobei dieser Ausdruck entweder mit beiden Klammern oder ohne sie zu<br />

lesen ist.<br />

„Keine Theologie der <strong>Geschichte</strong>“, weil die Voraussetzungen für „die <strong>Geschichte</strong>“ als<br />

singular und universal weder erkenntnistheoretisch noch material gegeben sind, wie ich<br />

versucht habe zu zeigen. Die Einheit der <strong>Geschichte</strong> läßt sich nicht theoretisch – auch<br />

nicht theologisch – in der <strong>Geschichte</strong> begründen. Von ihr läßt sich nur aus der Perspektive<br />

des Glaubens sprechen <strong>im</strong> Blick auf das Handeln Gottes in und an Jesus von Nazareth,<br />

und damit <strong>im</strong> Blick auf eine <strong>Geschichte</strong> (unter anderen), deren Erschließungscharakter<br />

für <strong>Geschichte</strong> sich wiederum dem Handeln Gottes verdankt und durch es<br />

wirksam wird. Die Einheit der <strong>Geschichte</strong> ist somit jenseits der <strong>Geschichte</strong>, ist<br />

„exzentrisch“ 10 zu ihr, und fordert und ermöglicht gerade dadurch die Pluralität der <strong>Geschichte</strong>n.<br />

11 Dieser „Pluralismus aus Glauben“ 12 bzw. Pluralismus <strong>im</strong> Glauben darf aber<br />

nicht in dem Sinn als „Pluralismus aus Prinzip“ 13 verstanden werden, daß zwar eine<br />

externe Pluralität von <strong>Geschichte</strong>n zugegeben wird, dies aber „keine konstitutive Bedeutung<br />

für das eigene Selbst- und Weltverständnis“ gewinnt. 14 Denn die Externalität<br />

der Pluralität von <strong>Geschichte</strong>n <strong>im</strong>pliziert auch das interne Problem des christlichen<br />

Glaubens, daß die „Formulierung einer den Pluralismus allen theologischen Verstehens<br />

(…) begründenden und begrenzenden Grundeinsicht des christlichen Glaubens nicht<br />

unumstritten und evident gegeben ist“ 15 . Theologisches Nachdenken über <strong>Geschichte</strong><br />

hat darum einerseits die Pluralität von <strong>Geschichte</strong> und ihre exzentrische Konstitution zu<br />

berücksichtigen, andererseits ausgehend von einem „begriffenen Pluralismus“ „die<br />

eigene Position in Unterscheidung von anderen als eine unter anderen Positionen zu akzeptieren<br />

und zu reflektieren“ 16 . Daher: „Keine Theologie der <strong>Geschichte</strong>.“<br />

Wohl aber „Kleine Theologie der <strong>Geschichte</strong>n“, weil <strong>Geschichte</strong>n Identität (re)kon–<br />

struieren und die Form sind, in der Leben und Erfahrungen des Glaubens mitgeteilt<br />

Macht-Ausübens und Macht-Erleidens, des Bauens und Zerstörens gibt. Konsequenterweise. Was aus<br />

solcher Konsequenz entstünde, wäre gerade keine ‚<strong>Geschichte</strong>‘ mehr, ein Wort, das zugleich Geschichtswissenschaft<br />

und Erzählung bedeutet. Erzählt werden soll, wo <strong>Geschichte</strong> getrieben wird; Erzählung<br />

fordert Ereignis und Einheit. Will <strong>Geschichte</strong> des Menschen <strong>Geschichte</strong> all dessen bieten,<br />

was der Mensch getrieben hat, <strong>Geschichte</strong> der politischen Kunst nicht nur, auch der Baukunst, der<br />

Kriegskunst, der Erziehungskunst, der Schauspielkunst, der Kochkunst, so kommt die Erzählungskunst<br />

zu kurz. Wir erhalten eine Enzyklopädie, keine <strong>Geschichte</strong>“, Golo Mann, Einleitung Bd. 8, 15.<br />

10 Ich nehme hier einen beachtenswerten Hinweis von Christoph Schwöbel auf.<br />

11 Eine derartige Relativierung der <strong>Geschichte</strong> ist anders begründet als die <strong>im</strong> Historismus auftretende<br />

„Theorie diachroner Pluralität“. Vgl. dazu Christoph Schwöbel, Art. Pluralismus II. Systematischtheologisch,<br />

in: TRE 23 (1994), 724–739, hier 727.<br />

12 Schöbel, Art. Pluralismus II, 732.<br />

13 Eilert Herms, Pluralismus aus Prinzip, in: Reiner Bookhagen u.a. (Hg.), Vor Ort. Praktische Theologie<br />

in der Erprobung, FS Peter C. Bloth, Nürnberg 1991, 77–95.<br />

14 Vgl. Falk Wagner, Theologie zwischen normativem Einheitsanspruch und faktischem wissenschaftlich-kulturellem<br />

Pluralismus, in: Joach<strong>im</strong> Mehlhausen (Hg.) Pluralismus und Identität, Gütersloh<br />

1995, 153–167, hier 154.<br />

15 Joach<strong>im</strong> Track, Kirche zwischen Fundamentalismus und Pluralismus, in: Dieter Becker (Hg.), Globaler<br />

Kampf der Kulturen? Analysen und Orientierungen (Theologische Akzente 3), Stuttgart 1999,<br />

27–59, hier 54.<br />

16 Falk Wagner, Theologie zwischen normativem Einheitsanspruch und faktischem wissenschaftlichkulturellem<br />

Pluralismus, 155 u. 156. Dieser „begriffene Pluralismus“ läßt sich bereits <strong>im</strong> Alten<br />

Testament entdecken, blickt man auf das Nebeneinander der unterschiedlichen Geschichtswerke; vgl.<br />

oben den Exkurs: Biblische Akzente.<br />

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