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Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

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In solchen Augenblicken scheint die Ewigkeit als Gegenwart Gottes auf. Dieser erfüllte<br />

Augenblick wird von der Vergangenheit und der erwarteten und verheißenen Zukunft<br />

her in ein besonderes Licht gerückt. Eine Theologie der <strong>Geschichte</strong> wird ihre Aufmerksamkeit<br />

darauf richten, wo und wie solche Augenblicke in der <strong>Geschichte</strong> auftauchen<br />

und sie auf das Offenbarungshandeln Gottes beziehen. Durch den Bezug auf Gott, der<br />

die Zeit in seinen Händen hält, wird für den Menschen sein Zeitverständnis in einer spezifischen<br />

Weise rekonstituiert. Er wird sich der Zeit nicht mehr nur ausgesetzt und ausgeliefert<br />

fühlen, sondern kann sich in der Zeit als der Zeit Gottes geborgen wissen. Gegenüber<br />

einem Chaos der Zeit(en) kann er mit Gewißheit darauf vertrauen, daß Gott in<br />

der Zeit präsent ist und die Fülle der Zeit verheißt. Er kann darin auch <strong>im</strong> Lauf der Zeit<br />

gefaßt das erwarten, was die Zeiten bringen. Eine Theologie der <strong>Geschichte</strong> wird dabei<br />

eschatische Erwartungen nicht nur für die Zukunft, sondern auch für die Gegenwart<br />

thematisieren. Sie wird <strong>im</strong> Blick auf die Zeit deshalb zu formulieren haben, wie christliche<br />

Existenz in der Zeit sich vollzieht und wie ein angemessener Umgang mit der Zeit<br />

aussehen kann.<br />

2. Eine Theologie der <strong>Geschichte</strong> wird <strong>Geschichte</strong> verstehen als den Raum, der Menschen<br />

für ihr Handeln in Freiheit von Gott geschenkt ist. <strong>Geschichte</strong> ist der Spielraum<br />

des Lebens. Die „Regeln“ für das „Spiel“ in der <strong>Geschichte</strong> sind dabei zu thematisieren<br />

als Ausfluß von Gottes schöpferischem, offenbarendem und erleuchtendem Handeln,<br />

die sich <strong>im</strong> Glauben durch die Kraft des Heiligen Geistes erschließen. Sie orientieren<br />

das Handeln des Menschen am Willen Gottes, der sich als Liebe erwiesen hat. Der Wille<br />

Gottes wird vorzüglich ersichtlich aus dem Reden und dem Geschick Jesu Christi. Darin<br />

werden auch die unerwünschten, tragischen, ja tödlichen Folgen und Nebenfolgen des<br />

Handelns in der <strong>Geschichte</strong> deutlich. Auf dem Hintergrund des Handelns Gottes, das<br />

vom Tod zum Leben bringt, wird eine Theologie der <strong>Geschichte</strong> zwar auf die „Gesetz-<br />

mächtigkeit“ und „Eigengesetzlichkeit“ der <strong>Geschichte</strong> hinweisen, diese aber nicht als<br />

letztes Wort gelten lassen können, sondern – auch wider den Augenschein – die Ver-<br />

heißung, Hoffnung und Erwartung eines „Neuen“ in der <strong>Geschichte</strong> ansprechen. 6 Von<br />

dieser Verheißung, Hoffnung und Erwartung her wird menschliches Handeln vor allem<br />

auf seine lebensdienlichen Aspekte hin thematisiert werden, als ein befreites und be-<br />

freiendes Handeln.<br />

3. Aus der Verheißung, Hoffnung und Erwartung eines „Neuen“ in der <strong>Geschichte</strong> wird<br />

diese von einer Theologie der <strong>Geschichte</strong> als „Vorläufiges“ verstanden werden. <strong>Geschichte</strong><br />

wird somit als ein „Zwischenraum“ verstanden. Die Urteile, die in der <strong>Geschichte</strong><br />

über Handlungen und Personen gefällt werden, haben daher ebenso den Charakter<br />

des Vorläufigen. Dies kann dazu befreien, sich nicht den Zwangsläufigkeiten der<br />

<strong>Geschichte</strong> auszuliefern, sondern kreativ mit ihnen umzugehen. Die in der <strong>Geschichte</strong><br />

handelnden Subjekte sind von der <strong>Geschichte</strong> nicht unbeeinflußt, aber als nicht allein<br />

6 Gerhard Ebeling, Dogmatik Bd. 1, Tübingen 1982 2 , 289, schreibt bezüglich der Frage nach einer<br />

Universalgeschichte und des Sinnproblems: „Auf die <strong>Geschichte</strong> gesehen, erscheint es angemessener,<br />

das <strong>Fragment</strong>arische und das undurchdringliche Dunkel in aller Geschichtserkenntnis zu wahren und<br />

sich auf denjenigen Zuspruch zu verlassen, der auch einem Zusammenbruch universalgeschichtlicher<br />

Hypothesen gewachsen ist.“<br />

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