Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau
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TEIL 4<br />
K(L)EINE THEOLOGIE DER GESCHICHTE(N)<br />
Aller Aufschwung über die <strong>Geschichte</strong> wird zur Täuschung,<br />
wenn wir die <strong>Geschichte</strong> verlassen.<br />
Karl Jaspers<br />
1 Zum Status geschichtstheologischer Aussagen<br />
Christliche Theologie kann nicht umhin, <strong>Geschichte</strong> zu ihrem Thema zu machen. Zum<br />
einen muß sie, um <strong>im</strong> Reigen der Wissenschaften gesprächsfähig zu sein, sich auf deren<br />
Wirklichkeitsverständnis beziehen. Wirklichkeit wird, spätestens neuzeitlich, aber geschichtlich<br />
verstanden. Zum anderen sind nicht nur Christentum und christlicher Glaube<br />
selbst geschichtlich und beziehen sich auf geschichtliche Ereignisse, sondern sehen sich<br />
konstituiert durch die Offenbarung Gottes in der <strong>Geschichte</strong>. Sie sind in Relation gesetzt<br />
zu einem Gott, der in zweifacher Weise geschichtlich ist; zum einen in der Geschichtlichkeit<br />
seiner Offenbarung, zum anderen in der Geschichtlichkeit seiner selbst. Auf<br />
diesem Hintergrund kann Theologie der <strong>Geschichte</strong> verstanden werden als ein Aspekt<br />
der Fundamentaltheologie, da sie damit „Grund- und Anfangsfragen“ 1 der Theologie<br />
thematisiert. In einer Theologie der <strong>Geschichte</strong> werden dabei Grundaussagen des christlichen<br />
Glaubens gemacht, die Folgen für das Ganze der Theologie haben. 2 In ihren Fragestellungen<br />
und Motivationszusammenhängen bezieht sie sich auf alle Themen der<br />
Dogmatik und einige ethische Probleme. 3 Als eine Deutung oder Theorie der <strong>Geschichte</strong><br />
in bezug auf Gottes Handeln bzw. aus der Perspektive des Glaubens sind ihre Aussagen<br />
Interpretationen mit hypothetischem und darüber hinaus geschichtlichem Charakter.<br />
Unter der Voraussetzung von Gottes Wirklichkeit müssen geschichtstheologische Aussagen<br />
den Anspruch erheben, <strong>Geschichte</strong> und Welt sachgerecht zu deuten. Diese Deutung<br />
muß einerseits zeitgemäß sein, das heißt, kommunikationsfähig mit geschichtsphilosophischen<br />
und geschichtswissenschaftlichen Aussagen, 4 andererseits schriftgemäß,<br />
das heißt bezogen auf und verantwortet vor dem biblischen Zeugnis. 5<br />
1<br />
Vgl. Wilfried Joest, Dogmatik Bd. 1, Göttingen 1984, 13ff; sowie ders., Fundamentaltheologie,<br />
Stuttgart 1974.<br />
2<br />
Deutlich zu erkennen ist das bei Wolfhart Pannenberg, siehe oben 2.2.<br />
3 3<br />
Vgl. Joach<strong>im</strong> Ringleben, Art. Geschichtstheologie, in: EKL Bd. 2, 127–131. Er nennt „ideal–<br />
typisch“: Geschichtlichkeit Jesu, Geschichtlichkeit des Christentums, Heilsgeschichte, Eschatologie,<br />
Apologetik, Politische <strong>Geschichte</strong>, Profangeschichte, Geschichtsphilosophie, Theodizee, Historische<br />
Forschung, Säkularität, Politische Theologie, Sozialethik, Zukunftsdenken. Zu ergänzen wären, wie<br />
sich <strong>im</strong> Verlauf der Arbeit gezeigt hat, etwa Schöpfungslehre, Theologische Anthropologie und<br />
Trinitätslehre.<br />
4<br />
Vgl. Wolfhart Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, Frankfurt/M. 1987, 329ff und 348,<br />
hier die Kriterien 2 und 3. Siehe auch Joach<strong>im</strong> Track, Theologie und Philosophie <strong>im</strong> Dialog, in: VuF<br />
35/1990, 3–30.<br />
5<br />
Vgl. dazu etwa Siegfried Herrmann, Zeit und <strong>Geschichte</strong>, Stuttgart 1977, 128: „Der Gegenstand der<br />
‚Theologie der <strong>Geschichte</strong>‘ ist nicht etwa das Nachforschen nach einem gehe<strong>im</strong>en Plan Gottes; ihn<br />
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