02.12.2012 Aufrufe

Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

„verifiziert das Wort als Ereignis, als ein Ereignis, das tut, was das Wort sagt“ 23 . Wort,<br />

Wirklichkeit und Glaube haben Ereignischarakter, wobei Wort bzw. Sprache das Ereignis<br />

Wirklichkeit werden lassen. Für die geschichtliche Existenz des Menschen zieht<br />

Fuchs daraus den Schluß, daß „die Geschichtlichkeit der Existenz als Sprachlichkeit der<br />

Existenz aufzuweisen“ 24 ist.<br />

Für die theologische Anthropologie ist jedoch die Sprachfähigkeit des Menschen nicht<br />

das Erste, was zum Menschen zu sagen ist. Der Gott entsprechende Mensch ist „vor allem<br />

Reden ein zum Hören best<strong>im</strong>mtes Wesen“. Er „ist über das hinaus, was er sich selber<br />

zu sagen hat und zu sagen vermag, ontologisch zum Hören auf ein sein Wesen überhaupt<br />

erst konstituierendes Wort best<strong>im</strong>mt“ 25 . Darin drückt sich wiederum die passive<br />

Konstitution des Menschen aus. Als so konstituierter Mensch ist er freilich in der Lage,<br />

selbst das Wort zu ergreifen. Auf das Wort Gottes hörend wird er freigesprochen dazu,<br />

Dinge zu benennen, wählend zu unterscheiden und damit sich selbst und Welt zu gestalten.<br />

26 In seinem Angesprochensein ist der Mensch „als Sprachwesen ein Wesen der<br />

Möglichkeit, während er in seinem Aussagen als Sprachwesen ein Wesen der Wirklichkeit“<br />

27 ist. Mit der Sprache hat der Mensch Möglichkeiten der Gestaltung, die er – ebenfalls<br />

mit der Sprache – in Wirklichkeit verwandelt. Die sprachliche Gestaltung der<br />

Wirklichkeit ist aber in ihrer Durchführung nicht zwingend eindeutig. Die Möglichkeiten<br />

der Sprache tragen eine Vielfalt möglicher Wirklichkeiten in sich. Denn die<br />

Sprache des Menschen, seine Worte, sind, anders als das Wort Gottes, nicht eindeutig.<br />

Es gibt auf der einen Seite eine gewisse Kohärenz und Kontinuität <strong>im</strong> Sprachgebrauch,<br />

die gelingende Kommunikation und ein Einverständnis über die Welt ermöglicht. Es<br />

gibt auf der anderen Seite Inkommensurabilitäten und gegeneinander abgeschottete<br />

Sprachspiele und Diskurse, die Einverständnis erschweren oder unmöglich machen. „Da<br />

ist (…) eine Kontinuität, die man als Sprachzusammenhang bezeichnen kann, womit<br />

allerdings nicht bloß die Fortpflanzung derselben Sprache und Sprachinhalte gemeint<br />

ist, sondern auch die dialogische Struktur von Herausforderung und Antwort, von Anregung<br />

und Verarbeitung, von Überlieferung und Rezeption. Dieser Sprachzusammenhang<br />

macht freilich wiederum die Verwendung des Begriffs Kontinuität fraglich, da nun<br />

dem Moment der Spontaneität und Kontingenz Gewicht zukommt.“ 28<br />

Lyotard thematisiert den gleichen Sachverhalt, wenn er davon ausgeht, daß der Prüfung<br />

des umfassenden Zweifels nicht das denkende oder reflexive Ich, sondern der Satz und<br />

die Zeit standhalten. „Aus dem Satz: Ich zweifle folgt nicht, daß ich bin, es folgt viel-<br />

23 Hafstad, Wort 386. Mit Fuchs’ Worten: „Wort und Glaube überkreuzen sich in der Situation zwischen<br />

Gott und Mensch. Das Wort ruft den Glauben hervor; es gewährt ihn. Aber erst der Glaube<br />

präzisiert das Wort als Wort. Das Wort kommt dem Glauben zuvor. Aber allein der Glaube verifiziert<br />

das Wort als Ereignis, das tut, was es sagt, wenn es sagt, was ist (…)“; Ernst Fuchs, Sprache<br />

und Menschwerdung, in: Wagnis des Glaubens. Aufsätze und Vorträge, hg. von E. Grötzinger, Neu-<br />

kirchen-Vluyn 1979, 151–164, hier 157f.<br />

24 Fuchs, Sprachereignis 429.<br />

25 Eberhard Jüngel, Der Gott entsprechende Mensch, in: Neue Anthropologie Bd. 6, hg. von H.-G. Gadamer,<br />

Stuttgart 1975, 342–372, hier 343 (auch in: Eberhard Jüngel, Entsprechungen: Gott –<br />

Wahrheit – Mensch. Theologische Erörterungen, München 1980, 290–317).<br />

26 Vgl. Jüngel, Der Gott entsprechende Mensch 363ff. „Weltveränderung und Selbstveränderung sind<br />

(…) durchaus sprachlich bedingt“ (365).<br />

27 Eberhard Jüngel, Der Gott entsprechende Mensch 369.<br />

28 Ebeling, Dogmatik Bd. 1, 286.<br />

277

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!