Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau
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aus, die sich auf einer zweiten Ebene als Wort des Menschen darstellt. 20 Nach der Erkenntnisordnung<br />
bildet diese zweite Ebene das pr<strong>im</strong>äre <strong>im</strong> Erkennen des Wortes Gottes.<br />
Von der Einsicht in den Antwortcharakter des menschlichen Wortes und in seine gestaltende<br />
Kraft erschließt sich das dieses menschliche Wort begründende Wort Gottes.<br />
Erst nach dem Durchschreiten dieser beiden Stufen läßt sich Wort Gottes und <strong>Geschichte</strong><br />
zusammendenken. Denn zunächst erscheint <strong>Geschichte</strong> als Resultat des Vermögens<br />
menschlicher Sprache. Wenn diese, was nicht zwingend, aber theologisch geboten<br />
und sprachphilosophisch begründet erscheint, als dem Menschen gegebene verstanden<br />
wird, kann nach dem Wort hinter dem menschlichen Wort der <strong>Geschichte</strong><br />
gefragt werden bzw. Offenheit für dieses Wort entstehen.<br />
6.3 Die Sprache des Glaubens und die <strong>Geschichte</strong>(n)<br />
6.3.1 Zu einem theologischen Sprachverständnis<br />
Habe ich bislang nach dem Wort Gottes unter dem Aspekt gefragt, inwiefern es als<br />
Sprachgeschehen <strong>Geschichte</strong> begründet und konstituiert, so ist nun diese Frage umzukehren<br />
und danach zu fragen, inwiefern <strong>Geschichte</strong> als Sprachgeschehen das Wort Gottes<br />
darstellen kann. Dazu ist die Sprachfähigkeit des Menschen aus theologischer Perspektive<br />
zu interpretieren und von daher die Offenheit der <strong>Geschichte</strong> für das Wort<br />
Gottes darzustellen. Diese Offenheit ergibt sich aus der Betrachtung der <strong>Geschichte</strong> vom<br />
Standpunkt des Glaubens aus und ist daher, wie der Glaube selbst, umstritten aber nicht<br />
unbegründet. Im Folgenden wird die Blickrichtung also umgekehrt; in räumlichen Metaphern:<br />
Während <strong>im</strong> Vorangehenden die Linie von Gott zur <strong>Geschichte</strong> als Sprachgeschehen<br />
gleichsam „von oben“ her gezogen wurde, soll es nun darum gehen, diese<br />
Linie „von unten“ zu ziehen.<br />
Im Zusammenhang der Sprachfähigkeit des Menschen ist nochmals auf Ernst Fuchs zurückzukommen.<br />
Er versteht die Sprache des Menschen als ein Geschenk, die, indem sie<br />
„sich ereignet“, Anteil gibt an der Wirklichkeit und sie zugleich enthüllt. Denn die<br />
Sprache hat für die Wirklichkeit eine fundamentale Ursprünglichkeit. 21 Diese Ursprünglichkeit<br />
zeitigt eine Wechselwirkung zwischen Mensch und Wirklichkeit. „Die<br />
Sprache drückt aus, was der Mensch als wirklich gelten lassen soll, und die Wirklichkeit<br />
bekräftigt für den Menschen, was ihm sprachlich von vornherein gegeben ist.“ 22 Dieser<br />
Sachverhalt stellt sich für Fuchs auch <strong>im</strong> Blick auf den Glauben dar. Der Glaube entsteht<br />
aus dem Wort, insofern kommt das Wort vor dem Glauben. Der Glaube jedoch<br />
20 „Die Sprache ist der innere Grund der <strong>Geschichte</strong>, während diese der äußere Grund der Sprache ist.<br />
Denn durch das anredende Wort kommt es allererst zu der Gemeinschaft von Subjekten und in ihr zu<br />
derjenigen Ich-Intensität, die <strong>Geschichte</strong> macht“, so Jüngel, Gott als Gehe<strong>im</strong>nis der Welt 257, in<br />
deutlicher Anlehnung an Barths Diktum (KD III/1, 103ff, 258ff) von der Schöpfung als äußerem<br />
Grund des Bundes und des Bundes als innerem Grund der Schöpfung. Es entsprechen sich Schöpfung<br />
– <strong>Geschichte</strong> und Bund – Sprache.<br />
21 Fuchs, Sprachereignis 427f.<br />
22 Hafstad, Wort 386.<br />
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