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Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

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die „Rede Gottes als Gehe<strong>im</strong>nis Gottes“ geltend, um sie so von allem anderen Redegeschehen<br />

abzugrenzen. 7 Dieses Gehe<strong>im</strong>nis der Rede Gottes hängt für Barth zusammen<br />

mit ihrer „Welthaftigkeit“, ihrer „Einseitigkeit“ und ihrer „Geistlichkeit“. Die Welthaftigkeit<br />

des Wortes Gottes besteht darin, daß es <strong>im</strong>mer als welthaftes Geschehen interpretiert<br />

werden kann. In seinem Wort wird Gott mit der Welt verwechselbar. Daß in<br />

dieser verwechselbaren Gestalt aber sein Wort sich ereignet, macht sein Gehe<strong>im</strong>nis aus.<br />

Die Einseitigkeit des Wortes Gottes besteht darin, daß es entweder als Verhüllung oder<br />

als Enthüllung begegnet, und dies ist durch seine Welthaftigkeit bedingt. Dabei kann die<br />

Verhüllung des Wortes Gottes zur Enthüllung werden und seine Enthüllung zur Verhüllung.<br />

Gerade in dieser Dialektik bleibt das Wort Gottes den Menschen unverfügbar,<br />

bleibt Gottes Wort. Daß es sich in dieser einseitigen Gestalt den Menschen als Wort<br />

Gottes erschließt, macht sein Gehe<strong>im</strong>nis aus. Die Geistlichkeit des Wortes Gottes besteht<br />

darin, daß es in seiner Welthaftigkeit und Einseitigkeit durch den Heiligen Geist<br />

für den Menschen als Wort Gottes vernehmbar wird. Als Wort Gottes kann es nur <strong>im</strong><br />

Glauben, und das heißt durch den Heiligen Geist vernommen werden.<br />

Die Kategorie des Gehe<strong>im</strong>nisses gewährleistet bei Barth die Unverfügbarkeit des Wortes<br />

Gottes und legit<strong>im</strong>iert zugleich, den Begriff „Rede“ sowohl für das Wort Gottes als<br />

auch für das Wort des Menschen zu gebrauchen, „ohne daß der qualitative Unterschied<br />

verlorengeht“ 8 . Damit ist einerseits das Sprachverständnis Karl Barths von seinem Offenbarungsbegriff<br />

wesentlich best<strong>im</strong>mt, andererseits bleibt die Besinnung auf die<br />

Struktur von Sprache auf seiten des Menschen unterbest<strong>im</strong>mt. Der Zusammenhang von<br />

Wort und Tat wird positiv nur <strong>im</strong> Blick auf das Wort Gottes thematisiert, <strong>im</strong> Blick auf<br />

den Menschen sieht Barth vor allem die Differenz zwischen Reden und Handeln, da das<br />

Handeln die Rede nicht einlöst. Zwischen dem Wort Gottes und dem Wort der Menschen<br />

bleibt somit eine Diastase bestehen, die methodisch nicht zu überbrücken ist. 9<br />

Dabei ist das Interesse Karl Barths, den qualitativen Unterschied zwischen Gott und<br />

Mensch, der auch als kategorialer Unterschied zu denken ist, nicht einzuebnen, auf jeden<br />

Fall zu beachten. Allerdings darf das nicht dazu führen, einerseits die dem Menschen<br />

als Geschöpf zukommenden Fähigkeiten, wozu hier vor allem seine Sprachlichkeit<br />

gehört, gering zu schätzen, und andererseits die Zuwendung Gottes in seinem<br />

Fleisch und <strong>Geschichte</strong> gewordenen Wort in ihrer hermeneutischen Relevanz zu vernachlässigen.<br />

Beide Problemanzeigen wurden <strong>im</strong> Gefolge und auch in Kritik Barths von Ernst Fuchs<br />

und Eberhard Jüngel bearbeitet. Ernst Fuchs wies auf die Strukturanalogie von Gotteswort<br />

und Menschenwort hin, die beide als „Sprachereignis“ zu verstehen sind. Zur<br />

Wirklichkeit gehört ihr zur Sprache kommen; Wirklichkeit wird erst durch Sprache. 10<br />

Das Verhältnis von Sprache und Wirklichkeit bzw. ontologisch gesprochen von Sprache<br />

7 Barth, KD I/1 168ff.<br />

8 Hafstad, Wort 381.<br />

9 Vgl. zur aporetischen Struktur von Barths Erkenntnistheorie Ralf Frisch, Theologie <strong>im</strong> Augenblick<br />

ihres Sturzes. Theodor W. Adorno und Karl Barth. Zwei Gestalten einer kritischen Theorie der Moderne,<br />

Wien 1999, 165ff und 188ff.<br />

10 Vgl. Ernst Fuchs, Hermeneutik, Tübingen 1963 2 , 130. S. 132: „Wirklichkeit ist nur Wirklichkeit in<br />

der Wahrheit der Sprache und wartet deshalb auf ihre Entbindung durch die Sprache.“ Die Metapher<br />

der Entbindung verwendet auch Peter Sloterdijk, Zur Welt kommen – zur Sprache kommen, Frankfurt/M.<br />

1988.<br />

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