Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau
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schließenden Sinn, da Gott in seiner Relationalität veränderlich ist und sein Wirken kein<br />
unmittelbares ist. 46<br />
Als externes Handlungssubjekt von <strong>Geschichte</strong> tritt in jedem Fall der Mensch auf, da<br />
<strong>Geschichte</strong> als solche <strong>im</strong>mer sprachlich vermittelt ist und diese Vermittlung durch Menschen<br />
geschieht. Streng gedacht würde bei einer Annahme Gottes als HSe auch die kategoriale<br />
Unterscheidung von Gott und Welt, Schöpfer und Geschöpf eingezogen werden.<br />
Unbeschadet dessen tritt Gott als HSi für den Menschen als HSe auf, insofern die<br />
Erzählung einer <strong>Geschichte</strong> in ihrer Gottesbeziehung thematisiert wird, also <strong>im</strong> Glauben<br />
erzählt wird und dieser von Gott gewirkt ist. Gott als HSe ist damit nur zu denken als<br />
über den Menschen als HSe vermittelt, somit nicht als unmittelbares HSe. Gott erzählt<br />
seine <strong>Geschichte</strong> nicht selbst, sondern Menschen erzählen seine <strong>Geschichte</strong>. Dies stellt<br />
<strong>im</strong> Blick auf die <strong>Geschichte</strong> eine gewisse cooperatio von Gott und Mensch dar.<br />
Um die Frage nach Gott als Referenzsubjekt von <strong>Geschichte</strong> zu beantworten, greife ich<br />
zunächst allgemein auf den biblischen Sprachgebrauch zurück. Die biblischen Texte<br />
enthalten mythologische Redeweise, die zwar das Gesamt von <strong>Geschichte</strong> in den Blick<br />
n<strong>im</strong>mt, aber in Form einzelner <strong>Geschichte</strong>n. Daher reden sie unkritisch vom Gott, der in<br />
der <strong>Geschichte</strong> wirkt, der durch Geschichtstaten erfahrbar ist. Von der Struktur her ist<br />
das eine Organisation von Geschehen durch ein einheitliches Referenzsubjekt und entspricht<br />
der von Danto herausgearbeiteten Form geschichtlicher Rede. 47 Im Blick auf das<br />
Alte Testament kann man sogar von einem doppelten Referenzsubjekt sprechen, das die<br />
Einheit der <strong>Geschichte</strong> gewährleistet, nämlich Gott und das Volk Israel. Die Benennung<br />
Gottes als Referenzsubjekt von <strong>Geschichte</strong> setzt dabei Erfahrung und Existenz Gottes<br />
bereits voraus. <strong>Geschichte</strong> verstanden als <strong>Geschichte</strong> Gottes kann den Glauben an Gott<br />
nicht begründen. Unter der Voraussetzung Gottes kann die Lesart der <strong>Geschichte</strong> aus<br />
der Perspektive des Glaubens diese <strong>Geschichte</strong> jedoch in einen Horizont rücken, der die<br />
<strong>Geschichte</strong> neu und anders verstehen läßt und damit Hoffnung wecken und Zukunft<br />
verheißen kann.<br />
Die Vorstellung Gottes als eines unmittelbaren Subjektes der <strong>Geschichte</strong>, das dieser<br />
autonom gegenübersteht, auf sie einwirkt, von dieser <strong>Geschichte</strong> selbst aber unbeeinflußt,<br />
gleichsam nicht betroffen ist, ist durch die vorausgehenden Überlegungen in<br />
mehrfacher Hinsicht relativiert worden. Erstens ist Gott als Relationsgeschehen in sich<br />
selbst differenziert, lebendig und befindet sich in einer <strong>Geschichte</strong> mit sich selbst. Die<br />
Identität Gottes befindet sich in Bewegung, sein Sein ist <strong>im</strong> Werden. Gott schafft seine<br />
<strong>im</strong>manente Identität <strong>im</strong> Vollzug der Relationen seiner Selbstbeziehung. Darin „ver-<br />
wirklicht sich“ Gott selbst. Der Mensch ist zur „Realisierung“ seiner Identität auf Gottes<br />
Wirken angewiesen, er gewinnt seine Identität erst in der Gottesbeziehung. 48 Zweitens<br />
erschließt sich der Zusammenhang von <strong>Geschichte</strong> und Gott als Wirken Gottes <strong>im</strong><br />
Glauben gerade darin, daß Gott in seinem Wirken in diese <strong>Geschichte</strong> eingeht, sich in<br />
gewisser Weise der <strong>Geschichte</strong> ausliefert. Seine <strong>Geschichte</strong> mit der Welt und den<br />
46 Vgl. oben 3.3.<br />
47 Vgl. oben 1.6.2.2.<br />
48 Vgl. das oben 4.2 zur passiven Konstitution des Menschen Gesagte. Die angesprochene Differenz in<br />
der „Realisierung“ der Identität spiegelt die Fundamentalunterscheidung von Gott und Mensch wider.<br />
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