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Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

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Lehre von Gott ist sie die begriffliche Ausformulierung von Erfahrung mit Gott bzw.<br />

die Systematisierung von Texten über die Erfahrungen mit Gott. Sie ist damit menschliches<br />

denkerisches Produkt, das unter dem gleichen Vorbehalt steht, unter dem alles<br />

Nachdenken über Gott steht. Es kann nur analoges oder metaphorisches Reden sein,<br />

wenn der kategoriale Unterschied zwischen Gott als Schöpfer und dem Menschen als<br />

Geschöpf nicht eingezogen werden soll. Unter diesem Vorbehalt steht auch ein konsequentes<br />

Denken Gottes als Relationsgeschehen. Mit Relation wird ein Beziehungsgefüge<br />

bezeichnet, dessen Bestandteile aus (mindestens) zwei Relaten und ihrer Beziehung<br />

bestehen. „Gott als Relationsgeschehen“ bedeutet, daß Gott zum einen als Relation<br />

zu denken ist, die sich zum anderen ereignet und lebt, d.h., nicht eine statische<br />

Beziehung beschreibt. Wird Gott trinitarisch gedacht, so ergibt sich, daß er nicht als ein<br />

Relat einer Relation zu verstehen ist, sondern als eine Relation aus in Beziehung stehenden<br />

Relaten, 37 wobei diese Beziehung eine lebendige ist. Die Relation dieser Relate<br />

ist als Liebe qualifiziert und von daher kann auch Gottes Wesen als Relationsgeschehen<br />

als Liebe bezeichnet werden. 38 Wird Gott als Relationsgeschehen gedacht, so bedeutet<br />

das einen Abschied von der Vorstellung Gottes als unbewegtem und geschichtslosem<br />

Wesen.<br />

Gott als (lebendiges) Relationsgeschehen ist nun in der Schöpfung in eine externe Relation<br />

eingetreten, in seine Weltbeziehung. Auch diese Relation ist, seinem Wesen entsprechend,<br />

von Liebe geprägt. Innerhalb der Gott-Welt-Relation lassen sich zwei Ebenen<br />

unterscheiden. Zum einen die Ebene der Begründung. Gott begründet in der Schöpfung<br />

die Gott-Welt-Relation. Zum anderen die Ebene der Aktualisierung oder<br />

Realisierung dieser Gott-Welt-Relation. In diesem Zusammenhang aber gilt für Gott,<br />

was auch für andere Beziehungsrelate gilt: Die Relation selbst verändert die Relate. Und<br />

weiter: Die Relate verändern auch die Relation. Die Gott-Welt-Relation ist somit als ein<br />

Prozeß mit Kontinuitäten und Brüchen zu verstehen, ist mithin <strong>Geschichte</strong>. Dies aber<br />

bedeutet, daß Gott, relational gedacht, notwendig eine <strong>Geschichte</strong> hat, und zwar sowohl<br />

in der Gott-Welt-Relation (ökonomische Trinität) als auch in seiner Selbst-Relation<br />

(<strong>im</strong>manente Trinität). 39 Die Identität Gottes in seiner <strong>Geschichte</strong> wird letztlich gewahrt<br />

durch seine <strong>Geschichte</strong>. Der „harte Kern“, wenn dieser Ausdruck als Rückfall in substantiale<br />

Sprache erlaubt ist, der Identität Gottes ist das Potential und die Aktualisierung<br />

seiner Beziehungen in Liebe in seiner Selbst- und Weltbeziehung. Dieses Verständnis<br />

Gottes ermöglicht es, die vielfältigen und unterschiedlichen Erfahrungen Gottes in der<br />

<strong>Geschichte</strong>, die sich in Attributen wie Zorn, Leidenschaft, Barmherzigkeit, Gnade,<br />

Stand der Erforschung der altkirchlichen Trinitätstheologie, in: Härle/Preul, MJTh X. Trinität, 51–94<br />

und 155–179.<br />

37 Im Anschluß an Augustin und Peirce untern<strong>im</strong>mt Hermann Deuser einen Versuch, Trinität und Relation<br />

zusammen zu denken, in: Hermann Deuser, Trinität und Relation, in: Härle/Preul, MJTh X.<br />

Trinität, 95–128; vgl. auch Hermann Deuser, Die phänomenologischen Grundlagen der Trinität, in:<br />

Härle/Preul, MJTh VI. Phänomenologie, Marburg 1994, 45–67.<br />

38 Eine „Übersetzung“ der Terminologie der klassischen Trinitätslehre in eine relationsontologische<br />

Begrifflichkeit kann hier leider nicht geleistet werden.<br />

39 In der <strong>Geschichte</strong> der Trinitätstheologie konstatiert Christoph Schwöbel eine Wende, die sich sowohl<br />

bei Karl Barth als auch bei Karl Rahner aufzeigen läßt. Die Pointe dieser Wende „besteht darin, daß<br />

unter der Voraussetzung des Verständnisses der Offenbarung als Selbstoffenbarung Gottes (d.h., Gott<br />

ist in sich so, wie er für uns ist) die Rede über die Heilsgeschichte indirekte Trinitätslehre und die<br />

Trinitätslehre indirekte Heilsgeschichte ist“. Vgl. Christoph Schwöbel, Trinitätslehre als Rahmen-<br />

theorie des christlichen Glaubens, in: Härle/Preul, MJTh X. Trinität, 129–154, hier 134.<br />

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