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Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

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legen die vielfältigen biblischen Texte beredt Zeugnis ab. In dieser Teilnahme Gottes an<br />

der <strong>Geschichte</strong> der Welt vollzieht sich aber auch eine Veränderung Gottes selbst ebenso,<br />

wie eine Veränderung der Menschen, die ihre <strong>Geschichte</strong> als von der <strong>Geschichte</strong> Gottes<br />

affiziert sehen, und dadurch auch eine Veränderung der <strong>Geschichte</strong> der Welt. 29 In Jesus<br />

von Nazareth geht Gott mit seiner <strong>Geschichte</strong> in die <strong>Geschichte</strong> der Welt ein, wird Teil<br />

der <strong>Geschichte</strong> der Welt und unterliegt darin den Handlungsbedingungen und dem Leiden<br />

in dieser Welt. Er wird darin ein Geschichtssubjekt der Art, wie Menschen Geschichtssubjekte<br />

sind. Insofern stellt sich Gott, vermittelt durch die <strong>Geschichte</strong>n und die<br />

<strong>Geschichte</strong>, die von ihm erzählt wird, sowohl als Handlungs- als auch Referenzsubjekt<br />

von <strong>Geschichte</strong> dar. In der <strong>Geschichte</strong> Jesu von Nazareth ereignet sich aber nicht nur ein<br />

Geschehen zwischen Gott und Mensch, sondern auch ein „trinitarisches Geschehen zwischen<br />

dem Sohn und dem Vater“ 30 , es geht dabei also nicht nur um die Gott-Welt-Relation,<br />

sondern auch um die Relationalität Gottes selbst. In der traditionellen Rede vom<br />

bewahrenden und erhaltenden Handeln Gottes bzw. seiner Vorsehung ist allerdings in<br />

der Regel ein Gottesverständnis vorausgesetzt, das die Relationalität Gottes nicht hinreichend<br />

berücksichtigt, so daß die <strong>Geschichte</strong> Gottes wie auch die <strong>Geschichte</strong> der Welt<br />

ungebrochen als Universalgeschichte oder als „große Erzählung“ 31 verstanden werden<br />

konnte.<br />

4.3.1.3 <strong>Geschichte</strong> qualifizierend<br />

In der Interpretation der <strong>Geschichte</strong> als einer, die mit Gott zu tun hat, wird die <strong>Geschichte</strong><br />

von Gott her qualifiziert. Sie wird in Verbindung gebracht mit dem Heilswillen<br />

und der Treue Gottes. Diese Verbindung nötigt angesichts der dem Heils- und Liebeswillen<br />

widersprechenden Erfahrungen von Schmerz, Leid und Unglück zur Rede vom<br />

deus absconditus. Diese Erfahrungen sind in der <strong>Geschichte</strong> vom Kreuz Teil der <strong>Geschichte</strong><br />

Gottes mit sich selbst geworden. „Die <strong>im</strong> Kreuzestod Jesu auf Golgatha konkrete<br />

‚<strong>Geschichte</strong> Gottes‘ hat (…) alle Tiefen und Abgründe der menschlichen <strong>Geschichte</strong><br />

in sich und kann darum als die <strong>Geschichte</strong> der <strong>Geschichte</strong> verstanden werden.<br />

Alle menschliche <strong>Geschichte</strong>, wie sehr sie von Schuld und Tod best<strong>im</strong>mt sein mag, ist<br />

in dieser ‚<strong>Geschichte</strong> Gottes‘, d.h. in der Trinität, aufgehoben und in die Zukunft der<br />

‚<strong>Geschichte</strong> Gottes‘ integriert. Es gibt kein Leiden, das in dieser <strong>Geschichte</strong> Gottes nicht<br />

Gottes Leiden, es gibt keinen Tod, der nicht in der <strong>Geschichte</strong> auf Golgatha Gottes Tod<br />

geworden wäre. Darum gibt es auch kein Leben, kein Glück und keine Freude, die nicht<br />

durch seine <strong>Geschichte</strong> in das ewige Leben, die ewige Freude Gottes integriert<br />

werden.“ 32 In der Folge dieses Verständnisses kann Gott als „Geschehen“ verstanden<br />

werden, und zwar „das Golgathageschehen, das Geschehen der Liebe des Sohnes und<br />

des Schmerzes des Vaters, aus dem der zukunftseröffnende, lebenschaffende Geist ent-<br />

29<br />

Für die Geschichtlichkeit und Veränderlichkeit Gottes <strong>im</strong> Spiegel alttestamentlicher Texte vgl. Jack<br />

Miles, Gott. Eine Biographie, München 1996.<br />

30<br />

Jürgen Moltmann, Der gekreuzigte Gott. Das Kreuz Christi als Grund und Kritik christlicher Theologie,<br />

München 1987, 232.<br />

31<br />

Vgl. unten 3.6.<br />

32<br />

Moltmann, Der gekreuzigte Gott 233.<br />

255

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