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Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

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macht“ 18 . In dieser „Beteiligung“ des Menschen am Fortschreiten zum eschatologischen<br />

Ziel kommt wiederum der responsorische Aspekt des Menschseins zum Ausdruck. 19<br />

Ist der neue Mensch des Glaubens derart exzentrisch, responsorisch und eschatologisch<br />

konstituiert und als gerechtfertigter Mensch s<strong>im</strong>ul iustus et peccator, so wird dadurch<br />

seine Geschichtlichkeit, seine <strong>Geschichte</strong> und sein Umgang mit <strong>Geschichte</strong> best<strong>im</strong>mt.<br />

Der Charakter des Person-Seins des Menschen best<strong>im</strong>mt auch den Charakter seines<br />

Subjekt-Seins <strong>im</strong> Blick auf die <strong>Geschichte</strong>. Die theologische Best<strong>im</strong>mung des Menschen<br />

als eines exzentrischen, responsorischen und eschatologischen Wesens kann somit<br />

verstanden werden als die (ontologische) Basis, auf der sich das geschichtliche<br />

Subjektsein des Menschen entfalten läßt.<br />

4.2.4 Der geschichtliche Mensch<br />

„Der Mensch ist zugleich Resultat, Interpret und Gestalter seiner fortlaufenden <strong>Geschichte</strong>.“<br />

20 Diese dreifache Form der Beziehung des Menschen zu seiner <strong>Geschichte</strong><br />

und zur <strong>Geschichte</strong> überhaupt, ist in theologischer Perspektive zu präzisieren, insofern<br />

die <strong>Geschichte</strong> des Menschen und die <strong>Geschichte</strong> Gottes mit dem Menschen miteinander<br />

verknüpft sind. Der Mensch ist Resultat des schöpferischen und rechtfertigenden<br />

Handelns Gottes. Der Mensch ist Interpret nicht nur seiner eigenen <strong>Geschichte</strong>, sondern<br />

auch der <strong>Geschichte</strong>, die Gott mit ihm und er mit Gott hat. Der Mensch ist Gestalter seiner<br />

eigenen <strong>Geschichte</strong> und der Gottesgeschichte mit ihm, indem er aus dieser <strong>Geschichte</strong><br />

seine Daseins- und Handlungsorientierungen gewinnt. Der Ansatzpunkt einer<br />

theologischen Besinnung auf das Verhältnis des Menschen zur <strong>Geschichte</strong> ist bei der<br />

individuellen Lebensgeschichte, der Biographie zu wählen. In der eigenen Lebensgeschichte<br />

gewinnt die <strong>Geschichte</strong> Gottes mit den Menschen konkrete Gestalt. Gott ruft<br />

nicht aus der eigenen Lebensgeschichte heraus, er trifft uns in seinem Wort auch nicht<br />

jenseits unserer Lebensgeschichte, sondern mitten in ihr. 21 Der Ansatz bei der individuellen,<br />

singulären <strong>Geschichte</strong> ist theologisch dadurch gerechtfertigt, daß „jeder ein-<br />

18 Joest, Ontologie 353.<br />

19 Den Zusammenhang von Glaube und eschatologischer Existenz des neuen Menschen entfaltet Eilert<br />

Herms in analoger Struktur in seinem Aufsatz „Die eschatologische Existenz des neuen Menschen“,<br />

in: ders., Offenbarung und Glaube. Zur Bildung des christlichen Lebens, Tübingen 1992, 299–318.<br />

Er geht dabei davon aus, daß der „neue Mensch“ „unter der Macht (das heißt unter dem Gewißheit<br />

schaffenden Erscheinen“ der Wahrheit des Evangeliums“ existiert (307) und darin „‚glaubende‘ Existenz“<br />

ist. Diese ist aber „Existenz <strong>im</strong> Übergang von der Anhänglichkeit an die Unwahrheit zur Anhänglichkeit<br />

an die erschienene Wahrheit des Evangeliums“ (313). Als „glaubende Existenz“ ist sie<br />

„sterbende Existenz“ und darin „die ständige Abnahme der Werde- und das ständige Wachstum der<br />

Ewigkeitsgestalt der Person“ (315). Der Glaube kommt von der erschienenen Wahrheit her und erwartet<br />

sie, eben weil er schon von ihrer Erscheinung lebt.<br />

20 Walter Hirsch, Art. Mensch X. Philosophisch, in: TRE 22, 567–577, hier 575.<br />

21 In der Tradition der „Dialektischen Theologie“ wurde dies gerade bestritten. Sie betonte, daß der<br />

Blick auf die eigene Lebensgeschichte zu einer Selbstbespiegelung führt und sich dem Anspruch<br />

Gottes gerade verschließt. Vgl. dazu Henning Luther, Religion und Alltag. Bausteine zu einer Praktischen<br />

Theologie des Subjekts, Stuttgart 1992, 37f. Zum Zusammenhang von Religion und Biographie<br />

vergleiche auch Walter Sparn (Hg.), Wer schreibt meine Lebensgeschichte: Biographie,<br />

Autobiographie, Hagiographie und ihre Entstehungszusammenhänge, Gütersloh 1990.<br />

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