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Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

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standen werden kann. 10 Zum einen „als die Möglichkeit von Werden überhaupt und als<br />

solche; als in sich unbest<strong>im</strong>mte ‚Offenheit nach vorn‘“ 11 . Sodann „als Ausrichtung auf<br />

die Verwirklichung der <strong>im</strong> Menschen selbst angelegten Potenz“ 12 , <strong>im</strong> Sinne einer<br />

Selbstverwirklichung. Schließlich „als Bewegung zu einem dem irdischen Dasein gegenüber<br />

jenseitigen Ziel der Seinsvollendung“ 13 , somit <strong>im</strong> Sinne einer transzendenten<br />

Zielbest<strong>im</strong>mung. Andererseits bezieht sich der eschatologische Aspekt auf die eschatologische<br />

Best<strong>im</strong>mung des Menschen, die in der Rede vom „neuen Menschen“ zum Ausdruck<br />

kommt und <strong>im</strong> ewigen Leben ihre Vollendung findet. 14 Die Rekonstruktion von<br />

Luthers Ontologie der Person zeigt nun insbesondere zwei Sachverhalte auf, die das reformatorische<br />

Verständnis der Person spezifisch qualifizieren. Dies ist zum einen der<br />

beständige Verweis Luthers darauf, daß der Mensch in seiner Bewegung auf ein Endziel<br />

hin diese Bewegung nicht als Abfolge <strong>im</strong>mer weiterführender Schritte vollzieht, sondern<br />

es sich <strong>im</strong> Grunde um die Wiederholung des ersten Schrittes, nämlich <strong>im</strong> Sich-<br />

Verlassen des Glaubens auf die Gnade besteht. Damit wären in paradoxer Weise Anfang<br />

und Ziel der Bewegung beieinander. 15 Allerdings ist für Luther auch dieser erste (und<br />

letzte?) Schritt keiner, der aus dem Vermögen des Menschen gemacht wird, sondern der<br />

durch das Hören des Wortes, somit je und je von Gott angestoßen wird. Zum anderen<br />

verweist Luther häufig auf ein eschatologisches Endziel, das Joest in seiner Rekapitulation<br />

von Luthers Tauftheologie herausarbeitet; dies ist „das Erhoffen des Sieges Gottes<br />

über das s<strong>im</strong>ul peccator“. Die Differenz zwischen der gegenwärtigen glaubenden<br />

Existenz und dem ewigen Leben ist, „daß es das Leben sein wird, das der Gebrochenheit<br />

und Infragestellung durch die Sünde entnommen ist“ 16 . Beide Sachverhalte, das beständige<br />

Wiederholen des ersten Schrittes und das Fortschreiten zum eschatologischen Ziel<br />

erscheinen auf den ersten Blick nicht leicht vereinbar. Ihre Kombination ist jedoch einsichtig,<br />

wenn es einerseits be<strong>im</strong> Fortschreiten eben nicht um die Tätigkeit des Menschen<br />

geht, sondern es sich darin um „das fortschreitende Beharren Gottes, wirksam (und bis<br />

in gute Werke hinein wirksam) mit uns zu bleiben auf unser ewiges Leben in seiner<br />

Gemeinschaft hin“ handelt. 17 Dabei ist der Mensch kein „unbewegtes Objekt göttlichen<br />

Handelns“, sondern „tut in gewissem Sinne Schritte dem Ziel entgegen. Aber er schreitet<br />

nicht fort in Selbstvervollkommnung, sondern <strong>im</strong> Glauben. Das aber bedeutet, daß er<br />

dabei bleibt, den einen Schritt, über den hinaus es für ihn keinen höheren gibt, <strong>im</strong>mer<br />

wieder zu tun“, und zwar „die Wiederholung der Preisgabe alles eigenen geistlichen<br />

Werden-könnens und Erreichen-wollens in die endlich zum Ziel bringende Gottes-<br />

10 Joest, Ontologie 320ff.<br />

11 Joest, Ontologie 322.<br />

12 Joest, Ontologie 321.<br />

13 Joest, Ontologie 321.<br />

14 Jüngel, Der Gott entsprechende Mensch 342f, versteht „eschatologisch“ als „neu“ in einem eher präsentischen<br />

Sinn, wenn er sagt, daß das neue Sein dem Menschen einerseits von Gott her zukommt<br />

und darin dem Menschen entzogen ist, und andererseits das Alte vergehen läßt.<br />

15 Vgl. Joest, Ontologie 324.<br />

16 Joest, Ontologie 346, 347.<br />

17 Joest, Ontologie 352.<br />

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