Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau
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gerecht gemacht. Der Zuspruch der Rechtfertigung wird dem Menschen durch Wort und<br />
Wirken Jesu Christi, durch das Evangelium zugeeignet und <strong>im</strong> Glauben, als Wirken des<br />
Heiligen Geistes, ergriffen. Das Rechtfertigungsgeschehen <strong>im</strong> Ganzen ist zu verstehen<br />
als Wirken Gottes. Der Mensch ist daran als Empfangender beteiligt. Im Rechtfertigungsgeschehen<br />
zeigt sich die passive Konstitution des Menschen vor Gott. In seiner<br />
Gottesbeziehung (wie – für den Glauben – in seiner ganzen Existenz) wird der<br />
Mensch als Person, Individuum und Subjekt von Gott her re-konstituiert. Er wird als<br />
„der Gott entsprechende Mensch“ 7 angesprochen. Rechtfertigung ist dabei allerdings<br />
nicht nur forensisch zu verstehen, sondern hat auch einen effektiven Charakter, insofern<br />
die von Gott in der Rechtfertigung qualifizierte Gottesbeziehung des Menschen auch<br />
seine Weltbeziehung und seine Selbstbeziehung konsekutiv involviert. Der gerechtfertigte<br />
Mensch gewinnt durch die Rechtfertigung eine neues Selbstverhältnis und ein<br />
neues Weltverhältnis. Insoweit geht es in der Rechtfertigung nicht nur um eine Re-Konstitution<br />
des Menschen, sondern auch um den „neuen Menschen“. Gleichwohl bleibt<br />
diese neue Best<strong>im</strong>mung aller Beziehungen des Menschen von der Ambiguität des s<strong>im</strong>ul<br />
iustus et peccator geprägt. Die Rechtfertigung des Menschen durch Gott schafft die<br />
Sünde nicht aus der Welt, sondern ermöglicht einen konstruktiven Umgang mit ihr, da<br />
der Mensch sich angesichts der Sünde Christus zuwenden kann. Darin wird er des verheißenen<br />
eschatologischen Endes der Sünde gegenwärtig und kann gegen die Macht der<br />
Sünde als Gerechter leben.<br />
Das Person-Sein des Menschen ist darin aus reformatorischer Sicht als exzentrisch, responsorisch<br />
und eschatologisch konstituiert zu verstehen. 8 Der Aspekt der Exzentrizität<br />
bezeichnet dabei zum einen den Sachverhalt, daß der Mensch über seine Konstitution<br />
nicht verfügt, sondern ihm sein Person-Sein von außen zugesprochen wird; zum anderen<br />
wird damit ausgesagt, daß er sich selbst verfehlt, wenn er sich auf sich selbst zentriert<br />
und seine Außenbeziehungen, also die Gottes- und Weltbeziehung negiert. Der Aspekt<br />
des Responsorischen ist darin <strong>im</strong>plizit bereits angesprochen. Er sagt aus, daß der<br />
Mensch ein antwortendes Wesen ist, das auf eine Ansprache oder einen Zuspruch von<br />
außen, der sich in der Gottes- bzw. Weltbeziehung ereignet, antwortend reagiert. Dieser<br />
Zuspruch hat den Charakter der Verheißung und der Rechtfertigung. In ihm ist die qualifizierende<br />
Best<strong>im</strong>mung des Menschen als Wesen, das Sprache hat, aufgenommen und<br />
auf die Gottesbeziehung des Menschen adaptiert. In dieser Beziehung hat das „audire“<br />
eine hervorgehobene Qualität gegenüber iudicare, videre und operari, insofern <strong>im</strong> Hören<br />
sich eine Preisgabe an die Gegenwart Gottes selbst vollzieht und so der exzentrische<br />
Aspekt gewahrt bleibt. 9 Der eschatologische Aspekt des Person-Seins des Menschen<br />
bezieht sich einerseits auf die aus der philosophischen Anthropologie bekannte Weltoffenheit<br />
des Menschen. Der Mensch kann sich zu einer Best<strong>im</strong>mung seines Seins verhalten.<br />
Man kann dies auch als seine Finalität bezeichnen, die in dreifacher Weise ver-<br />
gungslehre als Grundlegung der Anthropologie“ von Wilfried Härle in: Wilfried Härle / Eilert<br />
Herms, Rechtfertigung. Das Wirklichkeitsverständnis des christlichen Glaubens, Göttingen 1980,<br />
78–100.<br />
7 So der Titel des instruktiven Aufsatzes von Eberhard Jüngel in Neue Anthropologie Bd. 6, hg. von<br />
H.-G. Gadamer, Stuttgart 1975, 342– 372 (auch in: Eberhard Jüngel, Entsprechungen: Gott – Wahrheit<br />
– Mensch. Theologische Erörterungen, München 1980, 290–317).<br />
8 Vgl. dazu Wilfried Joest, Ontologie der Person bei Luther, Göttingen 1967, 232ff.<br />
9 Joest, Ontologie 285ff.<br />
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