02.12.2012 Aufrufe

Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Bloch sieht die menschliche Arbeit als Movens der <strong>Geschichte</strong>, sieht aber auch, daß dies die<br />

„Mitproduktivität der Natur“ voraussetzt. 32 Zuweilen scheint Bloch auch in dieser Natur, die sich in der<br />

menschlichen Arbeit vermittelt, das treibende Subjekt der <strong>Geschichte</strong> zu sehen. 33<br />

Es zeigt sich, daß <strong>im</strong> Verlauf der geschichtstheoretischen und geschichtsphilosophischen<br />

Überlegungen ein einheitliches Subjekt der <strong>Geschichte</strong> <strong>im</strong>mer weniger zu benennen<br />

ist. Theologische Motive bei den Überlegungen zu dieser Frage verlieren an Einfluß.<br />

Gott als Subjekt der <strong>Geschichte</strong> wird von der Menschheit abgelöst, diese als Konstrukt<br />

entlarvt und auf andere Kräfte und Mächte der <strong>Geschichte</strong> verwiesen. Je nach<br />

Perspektive und leitenden Interessen wird das Subjekt anders best<strong>im</strong>mt oder es wird<br />

gänzlich auf ein hinter der <strong>Geschichte</strong> stehendes oder in der <strong>Geschichte</strong> handelndes<br />

Subjekt verzichtet.<br />

1.3 Universalität und Pluralität<br />

Eine prinzipielle Fragestellung <strong>im</strong> Blick auf die <strong>Geschichte</strong> ist die Frage nach dem Verständnis<br />

und Verhältnis von Universalität und Pluralität. Schon bei der Erzählung von<br />

<strong>Geschichte</strong>n werden einzelne Geschehnisse und Ereignisse in einen Zusammenhang<br />

gestellt, so daß sich die Frage nach einem universalen Zusammenhang der <strong>Geschichte</strong>n<br />

<strong>im</strong> Plural gleichsam von selbst ergibt. Dies läßt sich bereits in der Antike feststellen,<br />

wenn von der „Erkundung“ zur Frage nach dem Ursprung und Prinzip des Weltganzen<br />

übergegangen wird. Diese Frage stellt sich auch für eine Geschichtstheologie, die das<br />

Erscheinen Jesu Christi als geschichtliches Ereignis in seiner universalen Relevanz und<br />

als singuläres Ereignis <strong>im</strong> Rahmen einer Deutung der <strong>Geschichte</strong> insgesamt zu verstehen<br />

suchen muß.<br />

Dabei wird in der Alten Kirche thematisiert, wie das Problem gelöst werden kann, daß einerseits durch<br />

Christi Erscheinen die Äonenwende bereits vollzogen ist, andererseits das Weltende erst von Christi Wiederkunft<br />

erwartet wird. Die sich ausweitende Zeitspanne zwischen diesen zwei Ereignissen gilt es zu erklären.<br />

Dazu gibt es verschiedene Ansätze; zum einen als Zeit natürlicher Reifung (1. Clemensbrief), <strong>Geschichte</strong><br />

als Zeit der Herstellung des Heils, als Zeit des Wachstums (Irenäus). 34 Daneben entsteht <strong>im</strong><br />

Rückgriff auf die Vier-Reiche-Lehre und den Weltwochengedanken eine Entfaltung der chiliastischen<br />

Vorstellung; später wurde von der Kirche aber zur Abwehr häretischer Entwicklungen die Idee des<br />

Millennium zur undatierbaren nachgeschichtlichen Vollendungszeit abgeschwächt.<br />

In der Romantik lassen sich unterschiedliche Tendenzen feststellen. Einerseits wird die <strong>Geschichte</strong> quasi<br />

religiös überhöht und mit theologischen Interpretamenten versehen. Andererseits wird auf eine universale<br />

Innerlichkeit, das Empfinden Bezug genommen und damit das Verhältnis von Universalität und Pluralität<br />

bzw. die Betonung auch des Individuellen ins Innere des Menschen verlegt.<br />

Im Idealismus wird die Universalität in den Vordergrund gerückt. In der <strong>Geschichte</strong> ordnen sich die einzelnen<br />

<strong>Geschichte</strong>n und Entwicklungen zu einem großen, umfassenden und zielgerichteten Prozeß zusammen.<br />

Unterschiedlich wird dabei best<strong>im</strong>mt, was das Treibende dieses universalen Prozesses ist, der<br />

Weltgeist, die Freiheit, die Vernunft, das Bewußtsein. In jedem Fall ist dieses Treibende als ein Transzendentales<br />

zu verstehen.<br />

Im 19. Jahrhundert, das auch als „Jahrhundert des Historismus“ bezeichnet wird, beginnt die Auflösung<br />

der Universalität von <strong>Geschichte</strong>. Mit der Krise des universalen Bewußtseins gerät auch das Bewußtsein<br />

32<br />

Ernst Bloch, Das Prinzip Hoffnung (1953), GA 5, 1959; zit. nach Scholtz 391.<br />

33<br />

Vgl. Scholtz 391.<br />

34<br />

Vgl. Scholtz 345f mit den Belegen.<br />

25

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!