Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau
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neue freie Bindung, Orientierung und Gestaltung eine spezifische, weiterführende Interpretation“<br />
43 .<br />
Ein christliches Verständnis von Freiheit best<strong>im</strong>mt auch das in dieser Freiheit vollzogene<br />
Handeln. Es ist best<strong>im</strong>mt von der Ermöglichung von Freiheit, die sich eben nicht<br />
selbst konstituiert, sondern sich der Unterscheidung und der Annahme verdankt, und<br />
dies in einem transzendenten wie einem anthropologischen Sinn. Es ist best<strong>im</strong>mt vom<br />
Ziel der Freiheit, das in der Freiheit des anderen besteht, welche wiederum eigene Freiheit<br />
freisetzt. Und es ist best<strong>im</strong>mt von der Verwirklichung von Liebe, die sich <strong>im</strong> in<br />
Freiheit gefundenen je eigenen Maß zwischen Selbsthingabe und Selbstverwirklichung<br />
realisiert.<br />
Die spezifisch christliche Signatur der Freiheit wird auch erhellt durch die oben 44 vorgestellte<br />
Situation des Menschen in der Zeit. Die Existenz zwischen dem alten und dem<br />
neuen Äon, die Bindung an die alten Mächte und die Befreiung von diesen durch das<br />
Anbrechen des neuen Äons stellt den Menschen in eine Situation der Entscheidung und<br />
darin der Freiheit. Als Handelnder hat sich der Mensch in dieser Situation je und je zu<br />
entscheiden, zu orientieren und zu verhalten. Er wird sich dabei nicht binden lassen von<br />
den alten Mächten, sondern in der Kraft des Heiligen Geistes die in der Liebe eröffneten<br />
Möglichkeiten, die die Möglichkeiten dieser Welt übersteigen, wahrnehmen und in seinem<br />
Handeln wirksam werden lassen.<br />
3.3.2.3 Handeln unter Gesetz und Evangelium<br />
Ist menschliches Handeln in theologischer Sicht bedingt und ermöglicht durch Gottes<br />
daseinskonstituierendes Wirken und die von Gott geschenkte Freiheit, so ist weiter zu<br />
fragen nach den aus theologischer Sicht das Handeln des Menschen best<strong>im</strong>menden<br />
Normen. Dabei können in einem Normensystem vielfältige Bezüge hergestellt werden.<br />
Rekurriert werden kann mit guten Gründen etwa auf den Dekalog, auf die Bergpredigt<br />
oder theologische Tugenden. Dies würde in unserem Zusammenhang aber zu weit führen.<br />
Hier sollen nur Hinweise auf die Bedeutung der Unterscheidung von Gesetz und<br />
Evangelium für das menschliche Handeln gegeben werden. Denn diese Unterscheidung<br />
kann zu einer Metatheorie theologischer Handlungsnormen entwickelt werden. Ohne<br />
hier <strong>im</strong> einzelnen auf die vielfältige Diskussion um Gesetz und Evangelium einzu-<br />
gehen 45 , lassen sich doch einige wichtige Einsichten formulieren.<br />
Zu Gottes erleuchtendem Handeln gehört das Einsichtigwerden in den Zusammenhang<br />
menschlichen Handelns mit dem Gemeinschafts- und Liebeswillen Gottes. Der Mensch<br />
ist dazu berufen, Gott und seinem Willen zu entsprechen. 46 Er entspricht Gott, wenn er<br />
43<br />
Track, Menschliche Freiheit 85f. Vgl. auch ebd. 67ff und 86f.<br />
44<br />
Vgl. oben 3.2.3.<br />
45<br />
Vgl. als Überblick Joest, Dogmatik Bd. 2, 487ff sowie Ernst Kinder, Klaus Haendler (Hg.), Gesetz<br />
und Evangelium. Beiträge zur gegenwärtigen theologischen Diskussion (WdF CXLII), Darmstadt<br />
1968.<br />
46<br />
Siehe zu dieser theologisch-anthropologischen Best<strong>im</strong>mung des Menschen Eberhard Jüngel, Der<br />
Gott entsprechende Mensch, in: Neue Anthropologie Bd. 6, hg. v. H.G. Gadamer / P. Vogel,<br />
Stuttgart 1975, 342–372 (auch in: Eberhard Jüngel, Entsprechungen: Gott – Wahrheit – Mensch.<br />
Theologische Erörterungen, München 1980, 290–317).<br />
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