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Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

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3.3.2.2 Handeln in Freiheit<br />

Die unterschiedlichen Ansätze, einen Handlungsbegriff zu entwickeln, bauen <strong>im</strong>mer auf<br />

der Voraussetzung menschlicher Freiheit, mindestens verstanden als Wahlfreiheit, auf.<br />

Die Konstitution des Menschen, verstanden als Inbegriff seiner Verhaltensmöglichkeiten<br />

<strong>im</strong> Selbstverhältnis, Weltverhältnis und <strong>im</strong> Verhältnis zu seiner Transzendierungsfähigkeit,<br />

ist eine Bedingung der Möglichkeit von Freiheit. Darüber hinaus ist Freiheit<br />

bedingt durch die gesellschaftliche und geschichtliche Situation, die von eigenen<br />

und fremden Entscheidungen in Vergangenheit und Gegenwart geprägt ist. In der<br />

philosophischen Anthropologie wurde diese Konstitution mit dem Begriff des „welt-<br />

offenen Wesens“ best<strong>im</strong>mt. Diese Konstitution ist aber als eine bedingte zu verstehen,<br />

insofern ihr Grenzen, etwa Leiblichkeit, Prägungen durch Gesellschaft, Kultur und Ge-<br />

schichte, inhärent sind. Davon ist auch die Freiheit des Menschen geprägt. Die neu-<br />

zeitliche Entwicklung ist Folge und Voraussetzung zugleich des zunehmenden Freiheitsbewußtseins<br />

und der zunehmenden technischen, wirtschaftlichen und politischen<br />

Gestaltungsfreiheit des Menschen, zumindest in den europäisch bzw. abendländisch<br />

geprägten Kulturkreisen. Sowohl das Freiheitsbewußtsein als auch die Gestaltungsfreiheit<br />

sind in der Entwicklung der Neuzeit jedoch in eine Krise geraten. 41 Mit der zunehmenden<br />

Freiheit ist aber auch diese selbst in eine Krise geraten. Für die Krise der<br />

Gestaltungsfreiheit sei nur die Gebundenheit menschlichen Handelns an die wirtschaftlichen<br />

und politischen Rahmenbedingungen genannt, die kollektives wie auch individuelles<br />

Handeln begrenzen. Dazu gehört auch die Gebundenheit an gesellschaftliche<br />

Normen und Institutionen, unbeschadet deren eigener Geschichtlichkeit. Für die Krise<br />

des Freiheitsbewußtseins lassen sich die philosophische Kritik am Idealismus anführen<br />

wie auch die Einsichten der Psychoanalyse. Von einer ungebrochenen Freiheit, auch<br />

einer Freiheit des Handelns, kann man darum zum jetzigen Zeitpunkt der neuzeitlichen<br />

Entwicklung nicht mehr reden. Absolute Freiheit, auch <strong>im</strong> Blick auf das Handeln, ist ein<br />

idealistisches Konstrukt.<br />

Dieser kritischen Sicht von Freiheit entspricht das christliche Verständnis von Freiheit,<br />

das diese <strong>im</strong>mer schon als von Gott ermöglichte und darum auch an Gott gebundene<br />

Freiheit verstanden hat. 42 Nach christlichem Verständnis gründet Freiheit in der Befreiung<br />

des Menschen durch Gott, in der Befreiung von falschen, verhängnisvollen,<br />

letztlich zerstörerischen und selbstzerstörerischen Bindungen. Zugleich wird nach<br />

christlichem Freiheitsverständnis ein neues Selbstverständnis eröffnet, das in der Rechtfertigung<br />

des Menschen durch Gott gründet und eine neue Bindung in Freiheit ermöglicht.<br />

So erfährt Freiheit nach christlichem Verständnis „in all ihren drei grundlegenden<br />

Elementen als kritische Negation und Lösung, als Akt der Selbstbest<strong>im</strong>mung und als<br />

41 Zur Krise des neuzeitlichen Freiheitsbegriffs vgl. Joach<strong>im</strong> Track, Menschliche Freiheit – zur ökologischen<br />

Problematik der neuzeitlichen Entwicklung, in: J. Moltmann (Hg.), Versöhnung mit der<br />

Natur?, München 1986, 48–93, bes. 52ff.<br />

42 Vgl. Reinhard Brandt, Die ermöglichte Freiheit. Sprachkritische Rekonstruktion der Lehre vom un-<br />

242<br />

freien Willen, Hannover 1992.

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