Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau
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schließenden Zuwendung derart, daß er die Freiheit des Menschen aufrechterhält und<br />
nicht zerbricht.<br />
Wir können also festhalten, daß jeder der Aspekte des Handelns Gottes, sein daseinsbegründendes,<br />
sein offenbarendes und sein erleuchtendes, den Bedingungen eines intentionalen<br />
und personalen Handlungsbegriffs entspricht. Es ist weiter festzuhalten, daß in<br />
jedem Handeln bzw. Wirken Gottes alle drei Aspekte enthalten sind. 32 Dabei kommt aus<br />
der Perspektive des erkennenden Subjekts dem erleuchtenden Handeln Gottes ein epistemologischer<br />
Vorrang zu. Denn durch das erleuchtende Handeln Gottes erschließt sich<br />
die Gewißheit über die Wahrheit und der Wirklichkeit als einer von Gott begründeten.<br />
Der Sachordnung nach geht das daseinsbegründende und Wirklichkeit schaffende Handeln,<br />
das allerdings auch den Aspekt des offenbarenden als Wirklichkeit erschließenden<br />
Handelns in sich trägt, dem erleuchtenden Handeln voraus. Der Erkenntnisordnung<br />
nach, also für das erkennende Subjekt, hat jedoch das erleuchtende Handeln Gottes, das<br />
auch den Aspekt des wirklichkeitsbegründenden Handelns in sich trägt, den Vorrang.<br />
Die kategorialen Unterscheidungen in der Anwendung des Handlungsbegriffs auf Gott<br />
erscheinen allerdings darin problematisch, daß sie einer weiteren inhaltlichen Präzisierung<br />
bedürfen. Diese notwendige Präzisierung ergibt sich aus der Bedeutung des offenbarenden<br />
Heilshandelns Gottes <strong>im</strong> Kreuzesgeschick und der Auferstehung Jesu Christi.<br />
Denn in Kreuz und Auferstehung hat Gott sein Handeln in und an der Welt neu best<strong>im</strong>mt.<br />
Im Kreuzesgeschehen hat Gott hinsichtlich seines handelnden Eingreifens in<br />
das Geschick Jesu gezeigt, daß er sich eines aktiven, unmittelbaren Eingreifens enthält.<br />
Freilich ist das Kreuzesgeschehen selbst als ein Handeln Gottes in der <strong>Geschichte</strong> zu<br />
best<strong>im</strong>men, und zwar als eines, in dem Gott die Art und Weise seines Handelns in der<br />
<strong>Geschichte</strong> best<strong>im</strong>mt. Gott hat sein geschichtliches Handeln derart best<strong>im</strong>mt, daß es<br />
nicht in „äußeren“ Geschichtstaten sich vollzieht, sondern in „inneren“. „Äußere“ und<br />
„innere“ Geschichtstaten meint dabei ein zweifaches. Zum einen verzichtet Gott darauf,<br />
„von außen“ in die <strong>Geschichte</strong> einzugreifen, sondern er handelt, indem er den Lauf der<br />
Dinge „in“ der <strong>Geschichte</strong> in den Dienst n<strong>im</strong>mt. Zum anderen wird dieses Handeln<br />
Gottes dann nicht „von außen“ ablesbar und erkennbar, sondern bedarf der „inneren“<br />
Erleuchtung, um dieses Geschehen als geschichtliches Handeln Gottes identifizieren zu<br />
können. Das „objektive“ Geschichtshandeln Gottes erschließt sich als solches durch die<br />
subjektive „innere“ Heilsgewißheit. Auf diesem Sachverhalt beruht die bleibende Umstrittenheit<br />
der Behauptung der Heilsbedeutung des Kreuzestodes Jesu und der Historizität<br />
seiner Auferstehung. Mit diesem Verzicht auf das Eingreifen „von außen“ in den<br />
Geschehensablauf greift Gott in die <strong>Geschichte</strong> ein, indem er eine „grundsätzliche Änderung<br />
der Rahmenbedingungen“ 33 seines geschichtlichen Handelns vollzieht. Das offenbarende<br />
Handeln Gottes in und an Jesus Christus hat damit auch eine daseinskonstituierende<br />
Bedeutung, denn Gott hat darin die Art und Weise seiner Beziehung zu<br />
Welt, Menschen und <strong>Geschichte</strong> neu best<strong>im</strong>mt.<br />
32 Vgl. Härle, Dogmatik 394ff.<br />
33 Ich nehme hier eine Formulierung auf, die Joach<strong>im</strong> Track gesprächsweise verwendet hat.<br />
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