Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

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02.12.2012 Aufrufe

3. Die logisch-empiristische Kritik bestreitet, daß auf dem Hintergrund des Verifikations- bzw. Falsifikationskriteriums das Subjekt des „Handelns Gottes“ korrekt identifiziert werden kann und daß ein Handeln dieses Subjekts sinnvoll prädiziert werden kann. Diese Kritiken haben auch Konsequenzen für das Verständnis des menschlichen Handelns. Nach der erkenntnistheoretischen Kritik gehört auch die für menschliches Handeln vorausgesetzte Freiheit in den Bereich der Metaphysik. Die materialistische Kritik bestreitet implizit die Möglichkeit von intentionalem menschlichen Handeln, „weil sie sich konsequent in Beschreibungen über Ereignis-Wahrscheinlichkeiten auflösen lassen muß“ (59). Die logisch-empiristische Kritik führt zur Behauptung der Sinnlosigkeit des Redens von Personen, „die mehr meint als ihre raumzeitliche Lokalisierbarkeit als Handlungsinstanzen“ (59). Auf diese neuzeitliche Kritik am Reden vom Handeln Gottes lassen sich in der Theologie zwei Reaktionstypen ausmachen. Der eine versucht eine Reinterpretation oder Ersetzung des Begriffs vom Handeln Gottes, indem entweder der Handlungsbegriff ausgespart wird oder die Rede von Gott und seinem Handeln in „Qualifizierungen des menschlichen Selbstverständnisses übersetzt wird“ (60). Der andere propagiert die Rückkehr zu biblischen Redeweisen und lehnt dabei philosophische oder weltanschauliche Überfremdungen der Theologie ab. Mit der Rede vom Handeln Gottes wird aber nun kein beliebiges Handeln Gottes thematisiert, sondern es werden ganz bestimmte Relationen dargestellt, die Konsequenzen für die Handlungsmöglichkeiten des Menschen haben (57). Von einem Verständnis des Glaubens, das zwischen dem Akt (fides qua creditur) und dem Inhalt (fides quae creditur) des Glaubens unterscheidet, erhellt der konstitutive theologische Gehalt des Handlungsbegriffs. Schwöbel bestimmt den Glauben in dieser Unterscheidung so, daß die „Konstitutionsbedingung des Glaubens als Akt“ genau das sind, „was als Inhalt des Glaubens bekannt wird“. Das heißt: „Nur das kann als Inhalt des Glaubens bekannt werden, was den Glauben als Akt konstituiert, und nur der Akt kann als Akt des Glaubens gelten, der durch die im Inhalt des Glaubens bekannten Konstitutionsbedingungen konstituiert ist.“ 24 Dabei werden die Konstitutionsbedingungen des Glaubens so zur Sprache gebracht, daß vom Handeln Gottes die Rede ist. Das Handeln Gottes wird daher zum einen als Grund der Möglichkeit menschlichen Handelns verstanden, zum anderen auch als Ermöglichung des Glaubensaktes. Dem entspricht die Unterscheidung vom schöpferischen und offenbarenden Handeln Gottes. Die Rede von Schöpfung weist auf die Voraussetzungslosigkeit des schöpferischen Handelns Gottes hin, das sich nur der Kreativität Gottes verdankt (64f). Der Charakter von Gottes Wirken besteht in der Existenzbegründung; daher ist alles weltlich Seiende kontingent. Zugleich muß aufgrund dieses Sachverhaltes Gottes schöpferische Wirken 24 Schwöbel, Handeln Gottes 63. 230

„als Einheit von Schöpfung und Erhaltung“ verstanden werden; dies geschieht im Begriff der creatio continuata (65). Damit ist ausgesagt, daß das Handeln Gottes hinreichend für die Existenz der Welt ist, und notwendig für alles Geschehen in der Welt. Da das Handeln Gottes für das Geschehen in der Welt zwar notwendig, aber nicht hinreichend ist, impliziert dieser Sachverhalt eine Selbstbegrenzung Gottes und eine relative Selbständigkeit der Welt (65). Zugleich wird dadurch eine fundamentale Asymmetrie zwischen dem schöpferischen Handeln Gottes und dem geschöpflichen Handeln des Menschen angezeigt (66). Diese fundamentale Asymmetrie beinhaltet, daß die gestörte Beziehung zwischen Gott und Mensch durch den Menschen nicht wieder hergestellt werden kann. Durch die Offenbarung Gottes in Jesus Christus, so die Grundüberzeugung des christlichen Glaubens, hat Gott diese Beziehung wieder hergestellt. Der Offenbarungsbegriff eignet sich zur näheren Bestimmung des Handelns Gottes vor allem darum, weil er zum einen ein Begriff zweiter Ordnung ist, der die metaphorische Begrifflichkeit der Glaubenssprache, die das Christusgeschehen bezeichnen, auf die Ebene interpretierender theologischer Begrifflichkeit hebt (67). Er eignet sich weiterhin vor allem, weil Offenbarung ein „polymorpher Begriff“ ist, „der eine Handlung bezeichnet, die durch andere Tätigkeiten und Handlungen vollzogen wird“ (67). Das mit dem Begriff Offenbarung bezeichnete Geschehen ist dabei als ein „Erschließungsgeschehen“ zu verstehen, dessen besonderes Merkmal die Passivität seitens des Empfängers der Erschließung resp. Offenbarung ist. Dieses offenbarende Handeln Gottes kommt im menschlichen Handeln und Leiden Jesu zur Darstellung (68). Dabei wird Jesu Handeln und Leiden transparent für Gottes schöpferisches Handeln als seinen Ermöglichungsgrund. Insofern stehen schöpferisches und offenbarendes Handeln Gottes nicht unverbunden nebeneinander, sondern stehen aus der Perspektive des Glaubens in einem Bedingungsverhältnis. Das schöpferische Handeln Gottes ist die Bedingung der Möglichkeit des offenbarenden Handelns, das offenbarende Handeln ist die Bedingung der Erkenntnis des schöpferischen Handelns Gottes. Die Rede vom schöpferischen Handeln Gottes bringt somit die Begründung der Existenz der Welt als Schöpfung zum Ausdruck, die Rede von Gottes offenbarenden Handeln stellt die Erfahrbarkeit der Welt als von Gott gewährte Einsicht in das Verhältnis des geschaffenen Seins zu seinem schöpferischen Grund dar (68). Das schöpferische Handeln definiert den Spielraum geschöpflicher Freiheit für menschliches Handeln, das offenbarende Handeln erschließt die Erkenntnis dieses Handlungsspielraums in der Weise, daß Jesu Handeln und Leiden zugleich als Ermöglichungsgrund dieser Einsicht und als Paradigma eines dieser Einsicht entsprechenden menschlichen Handelns erscheint (68f). Vom schöpferischen und offenbarenden Handeln Gottes ist weiterhin ein inspirierendes Handeln Gottes zu unterscheiden. Dies ist das Handeln Gottes als Geist, das das Zustandekommen von Gewißheit in bezug auf die Konstitution der Wirklichkeit und deren Wahrheit erschließt. Das Handeln Gottes als Geist ist dabei „als Vergegenwärtigung der Wahrheit der Christusoffenbarung zugleich die Personalisierung dieser Wahrheit als Grundlage meiner Existenz“ (69). Die vermittels des inspirierenden Handelns Gottes bewirkte Glaubensgewißheit rekonstituiert sowohl den Menschen im Glauben als Handlungssubjekt, als sie auch die Welt als Gestaltungsraum geschöpflicher Freiheit neu erschließt (69f). 231

„als Einheit von Schöpfung und Erhaltung“ verstanden werden; dies geschieht <strong>im</strong> Begriff<br />

der creatio continuata (65). Damit ist ausgesagt, daß das Handeln Gottes hinreichend<br />

für die Existenz der Welt ist, und notwendig für alles Geschehen in der Welt.<br />

Da das Handeln Gottes für das Geschehen in der Welt zwar notwendig, aber nicht hinreichend<br />

ist, <strong>im</strong>pliziert dieser Sachverhalt eine Selbstbegrenzung Gottes und eine relative<br />

Selbständigkeit der Welt (65). Zugleich wird dadurch eine fundamentale Asymmetrie<br />

zwischen dem schöpferischen Handeln Gottes und dem geschöpflichen Handeln<br />

des Menschen angezeigt (66).<br />

Diese fundamentale Asymmetrie beinhaltet, daß die gestörte Beziehung zwischen Gott<br />

und Mensch durch den Menschen nicht wieder hergestellt werden kann. Durch die Offenbarung<br />

Gottes in Jesus Christus, so die Grundüberzeugung des christlichen Glaubens,<br />

hat Gott diese Beziehung wieder hergestellt. Der Offenbarungsbegriff eignet sich<br />

zur näheren Best<strong>im</strong>mung des Handelns Gottes vor allem darum, weil er zum einen ein<br />

Begriff zweiter Ordnung ist, der die metaphorische Begrifflichkeit der Glaubenssprache,<br />

die das Christusgeschehen bezeichnen, auf die Ebene interpretierender theologischer<br />

Begrifflichkeit hebt (67). Er eignet sich weiterhin vor allem, weil Offenbarung ein<br />

„polymorpher Begriff“ ist, „der eine Handlung bezeichnet, die durch andere Tätigkeiten<br />

und Handlungen vollzogen wird“ (67). Das mit dem Begriff Offenbarung bezeichnete<br />

Geschehen ist dabei als ein „Erschließungsgeschehen“ zu verstehen, dessen besonderes<br />

Merkmal die Passivität seitens des Empfängers der Erschließung resp. Offenbarung ist.<br />

Dieses offenbarende Handeln Gottes kommt <strong>im</strong> menschlichen Handeln und Leiden Jesu<br />

zur Darstellung (68). Dabei wird Jesu Handeln und Leiden transparent für Gottes schöpferisches<br />

Handeln als seinen Ermöglichungsgrund. Insofern stehen schöpferisches und<br />

offenbarendes Handeln Gottes nicht unverbunden nebeneinander, sondern stehen aus<br />

der Perspektive des Glaubens in einem Bedingungsverhältnis. Das schöpferische Handeln<br />

Gottes ist die Bedingung der Möglichkeit des offenbarenden Handelns, das offenbarende<br />

Handeln ist die Bedingung der Erkenntnis des schöpferischen Handelns Gottes.<br />

Die Rede vom schöpferischen Handeln Gottes bringt somit die Begründung der Existenz<br />

der Welt als Schöpfung zum Ausdruck, die Rede von Gottes offenbarenden Handeln<br />

stellt die Erfahrbarkeit der Welt als von Gott gewährte Einsicht in das Verhältnis<br />

des geschaffenen Seins zu seinem schöpferischen Grund dar (68). Das schöpferische<br />

Handeln definiert den Spielraum geschöpflicher Freiheit für menschliches Handeln, das<br />

offenbarende Handeln erschließt die Erkenntnis dieses Handlungsspielraums in der<br />

Weise, daß Jesu Handeln und Leiden zugleich als Ermöglichungsgrund dieser Einsicht<br />

und als Paradigma eines dieser Einsicht entsprechenden menschlichen Handelns erscheint<br />

(68f).<br />

Vom schöpferischen und offenbarenden Handeln Gottes ist weiterhin ein inspirierendes<br />

Handeln Gottes zu unterscheiden. Dies ist das Handeln Gottes als Geist, das das Zustandekommen<br />

von Gewißheit in bezug auf die Konstitution der Wirklichkeit und deren<br />

Wahrheit erschließt. Das Handeln Gottes als Geist ist dabei „als Vergegenwärtigung der<br />

Wahrheit der Christusoffenbarung zugleich die Personalisierung dieser Wahrheit als<br />

Grundlage meiner Existenz“ (69). Die vermittels des inspirierenden Handelns Gottes<br />

bewirkte Glaubensgewißheit rekonstituiert sowohl den Menschen <strong>im</strong> Glauben als<br />

Handlungssubjekt, als sie auch die Welt als Gestaltungsraum geschöpflicher Freiheit<br />

neu erschließt (69f).<br />

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