Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

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02.12.2012 Aufrufe

der christlichen Tradition unterschiedenen Weisen des Handelns Gottes verständlich zu machen und auf den dreieinen Gott als einheitliches Handlungssubjekt zu beziehen. Dabei werden die Differenzierungen hinsichtlich des Handelns Gottes in der theologischen Diskussion durchaus unterschiedlich vorgenommen. Dies läßt sich beispielsweise am Vorkommen der Rede vom Handeln bzw. Wirken Gottes in neueren Dogmatiken zeigen. Joest 2 unterscheidet, und zwar zunächst im Aufbau seiner Dogmatik im Blick auf Gott den Vater, ein Schöpfungswirken und ein Vorsehungswirken Gottes. Beides bezieht sich auf die Welt als Schöpfung. Die Geschichte Jesu Christi wird von Joest in ihrem Zusammenhang, das heißt auch in der Verbundenheit von Person und Amt Jesu Christi, als das Werk der Erlösung verhandelt. Im Blick auf das Wirken des Heiligen Geistes geht Joest geschichtlich vor, wobei das Wirken des Heiligen Geistes sich auf Gottes Wirken in seinem Geschöpf bezieht. Dabei wird das Wirken des Geistes aus seinen Wirkungen erschlossen. Diese Wirkungen sind, neben der Leben wirkenden Schöpferkraft, vor allem in den unterschiedlichen Begabungen zu sehen, die durch den Heiligen Geist Menschen in der Nachfolge Gottes sowohl in der Glaubensgeschichte Israels als auch in der Christusgemeinde zugeeignet werden. Pannenberg differenziert das Handeln Gottes in der Geschichte als Berufung, Sendung und Gericht. 3 Er tut dies auf dem Hintergrund der Einsicht, daß das Handeln Gottes und das Handeln der Menschen unterschiedlichen Ebenen angehören. Wenn Pannenberg dabei einerseits darauf insistiert, daß das Handeln der göttlichen Weltregierung sich auf die Geschichte als ganze bezieht und sich nicht in unvermittelten Eingriffen in das Wirken der geschöpflichen Ursachen äußert, 4 so fordert er doch andererseits, Gottes „kon– kretes Handeln“ in den Ereignissen der Geschichte wahrzunehmen und zu benennen, und zwar als Bewahrung oder Gericht. 5 Letzteres kann allerdings nur aus der Perspektive des Glaubens als Interpretation gewagt werden, muß dies aber auch, soll die Rede von der Geschichtsmächtigkeit Gottes nicht entleert werden. Auch gilt hier, daß sich das Handeln Gottes in der Geschichte letztlich erst von ihrem Ende her erschließt. Aus Pannenbergs Gottesverständnis ergibt sich auch, daß das göttliche Handeln wie Gott selbst trinitarisch begriffen werden muß. Wilfried Härle 6 unterscheidet ein daseinskonstituierendes und ein geschichtliches Wirken Gottes. Diese beiden Wirkweisen sind tendenziell Gott dem Vater zugeeignet. Das Wirken Jesu besteht in der Offenbarung Gottes für die Menschen, in der Versöhnung zwischen Gott und den Menschen und in der Erlösung der Menschen durch Gott. Das Wirken des Heiligen Geistes wird von Härle unterschieden in ein heiligendes und begabendes Wirken. Die Einheit des göttlichen Wirkens wird von Härle aus der Einheit des göttlichen Wesens, das Liebe ist, abgleitet und kategorial unterschieden. Das bedeutet, daß dem gött- 2 Wilfried Joest, Dogmatik Bd. 1, 130ff, 282ff. 3 Pannenberg, Systematische Theologie Bd. 3, 538. 4 Pannenberg, Systematische Theologie Bd. 3, 542. 5 Pannenberg, Systematische Theologie Bd. 3, 538. 6 Härle, Dogmatik 282ff. Härle verzichtet in seiner Dogmatik auf den Begriff des Handelns im Blick auf Gott, weil er durch den alltäglichen Gebrauch so geprägt ist, daß der Ausdruck ‚Handeln Gottes‘ immer erklärungsbedürftig bleibt. Er redet deshalb vom „Wirken Gottes“, wobei der Begriff „Wir– ken“ mit den Elementen, die Schwöbel (dazu siehe unten) benannt hat, definiert wird. 226

lichen Wirken immer alle drei Aspekte, die kategorial unterschieden werden, zu eigen sind. Er weist dabei darauf hin, daß aus der Sicht des erkennenden Subjekts auch das Handeln Gottes als Zeichenprozeß verstanden werden muß, in dem sich folgende drei Aspekte unterscheiden lassen: erstens ein „schöpferisches (= wirklichkeitsbegründendes) Wirken“, zweitens ein „offenbarendes (= wahrheitserschließendes) Wirken“ und drittens ein „erleuchtendes (= gewißheitschaffendes) Wirken“. 7 3.2.2 Zum Begriff des Handelns Gottes Die Bibel bezeugt eine Vielzahl von Werken Gottes, die als Folgen seines Handelns zu verstehen sind. Diese Werke werden zunächst erzählt, dann aber auch in einen (heilsgeschichtlichen) Zusammenhang gebracht und von der Theologie systematisiert. Als wesentliche Werke Gottes lassen sich dabei nennen: Gott erschafft die Welt und erhält sie; Gott lenkt die Geschichte; er redet durch die Propheten; er offenbart sich in Jesus Christus; er sendet den Geist; Gott schafft Glaubensgewißheit, er sammelt und erhält die Kirche; er vollendet seine Schöpfung. 8 Erste Ansätze der Systematisierung dieser Werke Gottes finden sich im trinitarischen Aufbau des Glaubensbekenntnisses, ausgeführt wurde die Systematisierung in den Appropriationen der Trinitätslehre. Auf das damit zusammenhängende Verständnis des dreieinen Gottes als einheitliches „Handlungssubjekt“ gehe ich unten 9 ein. Hier kommt es zunächst darauf an, ein allgemeines Verständnis des Handelns Gottes zu entwickeln und dann zu fragen, inwiefern von einem Handeln Gottes in der Geschichte gesprochen werden kann. 3.2.2.1 Selbstbezügliches Handeln Gottes Für Joachim Ringleben ist im Rückgriff auf Hegel und Pannenberg der Topos der „Selbsthervorbringung“ als wesentlich für Gottes Handeln zu denken. 10 Er nimmt dabei auch Aspekte eines präzisierten causa-sui-Gedankens auf 11 und verbindet diese mit der Beziehung von Zeit und Ewigkeit. Die causa sui wird dabei gedacht „als ‚Selbstbewegung‘ im dreifach-einen Sinne einer Bewegung ‚aus sich selbst‘ (Ursprung), eines ‚sich selbst‘ Bewegens (Objekt) und einer Bewegung des Selbst (Subjekt)“, mithin „als sich hervorbingendes Selbst-Sein“. 12 Dies auf das Verhältnis von Zeit und Ewigkeit angewendet bedeutet, daß „Gott sich in der Zeit als ewig“ hervorbringt, bzw. er bringt „seine Ewigkeit – und zwar eben als vor- und überzeitliche – in und aus der Zeit her- vor“. 13 Auf diesem Hintergrund verschränken sich vier Hinsichten des Handelns Gottes. 14 Zum ersten muß „Gottes Handeln als mit Gottes Sein identisch“ gedacht werden, 7 Härle, Dogmatik 394. 8 Vgl. Härle, Dogmatik 392f. 9 Siehe unten 3.4.3.3. 10 Joachim Ringleben, Gottes Sein, Handeln und Werden, in: J. Rohls / G. Wenz, Vernunft des Glaubens, Göttingen 1988, 457–487, hier 484ff. 11 Ringleben, Gottes Sein, Handeln und Werden 476ff. 12 Ringleben 482. 13 Ringleben 483. 14 Vgl. Ringleben 485ff. 227

der christlichen Tradition unterschiedenen Weisen des Handelns Gottes verständlich zu<br />

machen und auf den dreieinen Gott als einheitliches Handlungssubjekt zu beziehen. Dabei<br />

werden die Differenzierungen hinsichtlich des Handelns Gottes in der theologischen<br />

Diskussion durchaus unterschiedlich vorgenommen. Dies läßt sich beispielsweise am<br />

Vorkommen der Rede vom Handeln bzw. Wirken Gottes in neueren Dogmatiken zeigen.<br />

Joest 2 unterscheidet, und zwar zunächst <strong>im</strong> Aufbau seiner Dogmatik <strong>im</strong> Blick auf Gott<br />

den Vater, ein Schöpfungswirken und ein Vorsehungswirken Gottes. Beides bezieht sich<br />

auf die Welt als Schöpfung. Die <strong>Geschichte</strong> Jesu Christi wird von Joest in ihrem Zusammenhang,<br />

das heißt auch in der Verbundenheit von Person und Amt Jesu Christi, als<br />

das Werk der Erlösung verhandelt. Im Blick auf das Wirken des Heiligen Geistes geht<br />

Joest geschichtlich vor, wobei das Wirken des Heiligen Geistes sich auf Gottes Wirken<br />

in seinem Geschöpf bezieht. Dabei wird das Wirken des Geistes aus seinen Wirkungen<br />

erschlossen. Diese Wirkungen sind, neben der Leben wirkenden Schöpferkraft, vor allem<br />

in den unterschiedlichen Begabungen zu sehen, die durch den Heiligen Geist Menschen<br />

in der Nachfolge Gottes sowohl in der Glaubensgeschichte Israels als auch in der<br />

Christusgemeinde zugeeignet werden.<br />

Pannenberg differenziert das Handeln Gottes in der <strong>Geschichte</strong> als Berufung, Sendung<br />

und Gericht. 3 Er tut dies auf dem Hintergrund der Einsicht, daß das Handeln Gottes und<br />

das Handeln der Menschen unterschiedlichen Ebenen angehören. Wenn Pannenberg<br />

dabei einerseits darauf insistiert, daß das Handeln der göttlichen Weltregierung sich auf<br />

die <strong>Geschichte</strong> als ganze bezieht und sich nicht in unvermittelten Eingriffen in das Wirken<br />

der geschöpflichen Ursachen äußert, 4 so fordert er doch andererseits, Gottes „kon–<br />

kretes Handeln“ in den Ereignissen der <strong>Geschichte</strong> wahrzunehmen und zu benennen,<br />

und zwar als Bewahrung oder Gericht. 5 Letzteres kann allerdings nur aus der Perspektive<br />

des Glaubens als Interpretation gewagt werden, muß dies aber auch, soll die<br />

Rede von der Geschichtsmächtigkeit Gottes nicht entleert werden. Auch gilt hier, daß<br />

sich das Handeln Gottes in der <strong>Geschichte</strong> letztlich erst von ihrem Ende her erschließt.<br />

Aus Pannenbergs Gottesverständnis ergibt sich auch, daß das göttliche Handeln wie<br />

Gott selbst trinitarisch begriffen werden muß.<br />

Wilfried Härle 6 unterscheidet ein daseinskonstituierendes und ein geschichtliches Wirken<br />

Gottes. Diese beiden Wirkweisen sind tendenziell Gott dem Vater zugeeignet. Das<br />

Wirken Jesu besteht in der Offenbarung Gottes für die Menschen, in der Versöhnung<br />

zwischen Gott und den Menschen und in der Erlösung der Menschen durch Gott. Das<br />

Wirken des Heiligen Geistes wird von Härle unterschieden in ein heiligendes und begabendes<br />

Wirken.<br />

Die Einheit des göttlichen Wirkens wird von Härle aus der Einheit des göttlichen Wesens,<br />

das Liebe ist, abgleitet und kategorial unterschieden. Das bedeutet, daß dem gött-<br />

2 Wilfried Joest, Dogmatik Bd. 1, 130ff, 282ff.<br />

3 Pannenberg, Systematische Theologie Bd. 3, 538.<br />

4 Pannenberg, Systematische Theologie Bd. 3, 542.<br />

5 Pannenberg, Systematische Theologie Bd. 3, 538.<br />

6 Härle, Dogmatik 282ff. Härle verzichtet in seiner Dogmatik auf den Begriff des Handelns <strong>im</strong> Blick<br />

auf Gott, weil er durch den alltäglichen Gebrauch so geprägt ist, daß der Ausdruck ‚Handeln Gottes‘<br />

<strong>im</strong>mer erklärungsbedürftig bleibt. Er redet deshalb vom „Wirken Gottes“, wobei der Begriff „Wir–<br />

ken“ mit den Elementen, die Schwöbel (dazu siehe unten) benannt hat, definiert wird.<br />

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