Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

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02.12.2012 Aufrufe

Die Zeit und die Zeitlichkeit des Menschen wird aufgrund dieser Geschichte bestimmt. Dabei besteht die Geschichte Gottes selbst aus einer Vielzahl von Geschichten. Von entscheidender Bedeutung ist darunter die Geschichte Gottes in Jesus Christus, die Geschichte von Kreuz und Auferstehung, von der her alle anderen Geschichten, die von der Beziehung Gottes zur Welt und zu den Menschen handeln, gelesen werden müssen. 38 In der Geschichte und dem Geschick des Jesus von Nazareth wird die Zeit Gottes der Zeit der Welt und der Menschen gleichzeitig und qualifiziert diese Zeit als eine, in der Neues angebrochen ist und erwartet werden muß. Diese neue Signatur rückt die Geschichten und die Geschichte in ein neues Licht und zugleich in einen Schatten. Das neue Licht, in dem Geschichten erscheinen, ist der Horizont der Hoffnung, die sich auf die Auferweckung Jesu von den Toten gründet. Zugleich ist diese Hoffnung in der noch nicht endgültig erlösten Welt getrübt, weil sie im Schatten des Kreuzes und damit der Zweideutigkeit statthat. Im Ereignis von Kreuz und Auferstehung, in dem die neue Zeit anbricht, und in deren Verkündigung diese neue Zeit angesagt wird, bekommt alle Geschichte ihre zeitliche Signatur. Dieses Ereignis stellt alle Geschichte in den einen gemeinsamen Horizont der von Gott eröffneten Zeit und bildet darin einen Bezugspunkt für alle Geschichten und Geschichte. 38 Dies ergibt sich aus der Anwendung des Kriterium solus Christus der Reformation für unseren Zu- 224 sammenhang.

3 Handeln Gottes und Handeln des Menschen in der Geschichte 3.1 Einleitung Was Gott tut, das ist wohlgetan. Samuel Rodigast Für das hier entworfene Verständnis von Geschichte ist der Begriff des Handelns neben anderen konstitutiv. Die Erzählung einer Geschichte ist immer die Erzählung von Handlungen, deren Voraussetzungen und deren Folgen. Für eine Theologie der Geschichte ist nun zu fragen, wie diese Handlungen, auf die Geschichte sich bezieht, zu verstehen sind. Versteht man, was dem christlichen Glauben angemessen ist, Geschichte als die Zeit und den Raum, in dem sowohl Gott als auch Menschen wirksam sind, so sind göttliches und menschliches Wirken in der Geschichte zueinander in Beziehung zu setzen. Ich werde zunächst danach fragen, wie der Begriff des Handelns auf Gott angewendet werden kann. Dabei ist nach dem Welt und Geschichte konstituierenden Handeln Gottes zu fragen wie auch nach dem Handeln Gottes in der Welt, d.h. in der Geschichte. Die damit zusammenhängenden Fragen werden traditionellerweise unter dem Titel der „Schöpfungslehre“ und der „providentia Dei“ verhandelt. Daran schließen sich Überlegungen zum Handeln des Menschen in der Geschichte aus theologischer Perspektive an. Schließlich ist das Verhältnis von göttlichem und menschlichem Handeln in der Geschichte zu bedenken. 3.2 Geschichte und Gottes Handeln Geschichte, so haben wir festgestellt, bezieht sich auf Ereignisse und Widerfahrnisse. Diese werden durch Handeln und Sprache konstituiert. Eine Theologie der Geschichte muß dabei das Handeln Gottes und das Handeln der Menschen in Beziehung setzen. Als Theologie ist eine Theologie der Geschichte konstitutiv auf die Aussagen des christlichen Glaubens bezogen. Und für den christlichen Glauben ist die Rede und Vorstellung vom Handeln Gottes konstitutiv. Alle christlichen Glaubensvollzüge beziehen sich implizit oder explizit auf ein Handeln Gottes. So fundamental dieser Bezug zu einem Handeln Gottes ist, so unklar ist der Gebrauch des Handlungsbegriffs im christlichen Glauben. 1 3.2.1 Zur Rede vom „Handeln Gottes“ Zum einen muß das theologische Nachdenken über das Handeln Gottes leisten, daß Gott als einheitliches Handlungssubjekt deutlich wird. Zum anderen muß es leisten, die in 1 Vgl. Christoph Schwöbel, Die Rede vom Handeln Gottes im christlichen Glauben, in: Wilfried Härle / Reiner Preul (Hg.), MJTh I, Marburg 1987, 56–81. 225

3 Handeln Gottes und Handeln des Menschen in der <strong>Geschichte</strong><br />

3.1 Einleitung<br />

Was Gott tut, das ist wohlgetan.<br />

Samuel Rodigast<br />

Für das hier entworfene Verständnis von <strong>Geschichte</strong> ist der Begriff des Handelns neben<br />

anderen konstitutiv. Die Erzählung einer <strong>Geschichte</strong> ist <strong>im</strong>mer die Erzählung von<br />

Handlungen, deren Voraussetzungen und deren Folgen. Für eine Theologie der <strong>Geschichte</strong><br />

ist nun zu fragen, wie diese Handlungen, auf die <strong>Geschichte</strong> sich bezieht, zu<br />

verstehen sind. Versteht man, was dem christlichen Glauben angemessen ist, <strong>Geschichte</strong><br />

als die Zeit und den Raum, in dem sowohl Gott als auch Menschen wirksam sind, so<br />

sind göttliches und menschliches Wirken in der <strong>Geschichte</strong> zueinander in Beziehung zu<br />

setzen. Ich werde zunächst danach fragen, wie der Begriff des Handelns auf Gott angewendet<br />

werden kann. Dabei ist nach dem Welt und <strong>Geschichte</strong> konstituierenden Handeln<br />

Gottes zu fragen wie auch nach dem Handeln Gottes in der Welt, d.h. in der <strong>Geschichte</strong>.<br />

Die damit zusammenhängenden Fragen werden traditionellerweise unter dem<br />

Titel der „Schöpfungslehre“ und der „providentia Dei“ verhandelt. Daran schließen sich<br />

Überlegungen zum Handeln des Menschen in der <strong>Geschichte</strong> aus theologischer Perspektive<br />

an. Schließlich ist das Verhältnis von göttlichem und menschlichem Handeln in<br />

der <strong>Geschichte</strong> zu bedenken.<br />

3.2 <strong>Geschichte</strong> und Gottes Handeln<br />

<strong>Geschichte</strong>, so haben wir festgestellt, bezieht sich auf Ereignisse und Widerfahrnisse.<br />

Diese werden durch Handeln und Sprache konstituiert. Eine Theologie der <strong>Geschichte</strong><br />

muß dabei das Handeln Gottes und das Handeln der Menschen in Beziehung setzen. Als<br />

Theologie ist eine Theologie der <strong>Geschichte</strong> konstitutiv auf die Aussagen des christlichen<br />

Glaubens bezogen. Und für den christlichen Glauben ist die Rede und Vorstellung<br />

vom Handeln Gottes konstitutiv. Alle christlichen Glaubensvollzüge beziehen sich<br />

<strong>im</strong>plizit oder explizit auf ein Handeln Gottes. So fundamental dieser Bezug zu einem<br />

Handeln Gottes ist, so unklar ist der Gebrauch des Handlungsbegriffs <strong>im</strong> christlichen<br />

Glauben. 1<br />

3.2.1 Zur Rede vom „Handeln Gottes“<br />

Zum einen muß das theologische Nachdenken über das Handeln Gottes leisten, daß Gott<br />

als einheitliches Handlungssubjekt deutlich wird. Zum anderen muß es leisten, die in<br />

1 Vgl. Christoph Schwöbel, Die Rede vom Handeln Gottes <strong>im</strong> christlichen Glauben, in: Wilfried Härle /<br />

Reiner Preul (Hg.), MJTh I, Marburg 1987, 56–81.<br />

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