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Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

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lichen Ruhe und der weisheitlichen Vorstellung der je eigenen Zeit für das jeweilige<br />

Tun und Lassen ausdrücken.<br />

Ein biblisch-theologisches Verständnis von Zeit rekurriert gegenüber dem eind<strong>im</strong>ensionalen<br />

Verständnis der Zeit darauf, daß einerseits die Komplexität und Vernetzung der<br />

Zeit wahrgenommen wird, und andererseits die Zeit des Menschen als grundsätzlich<br />

offene verstanden wird, wobei diese Offenheit als eine von Gott her und auf Gott hin<br />

verstanden wird. Es läßt aufgrund dieser Offenheit auch Raum für das Durchbrechen der<br />

Zeit, eröffnet von seinem strukturalen Verständnis her die Möglichkeit der Fülle der Zeit<br />

nicht erst an einem zu erreichenden Ziel, sondern in kontingenter Weise bereits mitten<br />

in der Zeit. Die Offenheit der Zeit vom Advent Gottes her und auf Zukunft hin läßt die<br />

geschichtliche Zeit als eine Zeit des Heils erfahren, wenn in ihr die Gegenwart Gottes<br />

aufscheint. Als Zeit des Heils erscheint die geschichtliche Zeit, wenn in ihr die Liebe<br />

Gottes erfahrbar wird. 35 Die menschliche Zeit ist zugleich eine Zeit der Hoffnung, denn<br />

in der Hoffnung wird die Zeit als offen für Gottes Advent, für den Anbruch seines Reiches<br />

verstanden. Dieses Verständnis ist allerdings nicht stringent nachweisbar und begründbar,<br />

sondern verdankt sich der Einsicht des Glaubens an die Rechtfertigung, die,<br />

wie auch die Zeit, als Geschenk und Gabe Gottes erscheint.<br />

Wird für den christlichen Glauben die Zeit als von Gott gewährte Zeit verstanden und<br />

wird in Jesus Christus die Fülle der Zeit an der Begegnung mit einer geschichtlichen<br />

Person offenbar, so gewinnt die personale Beziehung eine die Zeit qualifizierende Bedeutung.<br />

Im Gegenüber zu einem Du wird Zeit einerseits eröffnet, andererseits wird Zeit<br />

auch als Verpflichtung erfahren und bekommt dadurch eine ethische Relevanz. Empfangen<br />

und Gestaltung der Zeit in einer personalen Beziehung und Gestaltung einer personalen<br />

Beziehung bedingen sich gegenseitig. Bedenkt man, wie Jesus mit seiner Zeit<br />

umgegangen ist, so stellt man fest, daß er ganz offensichtlich Zeit für andere hatte, sich<br />

aber nicht aufdrängte. Und die Zeit war für ihn erfüllt, als er sie mit anderen teilte. Es<br />

gab Momente, wo in einem Augenblick der linearen, geschichtlichen Zeit, ein Moment<br />

der Ewigkeit, ein Kairos hereinbrach. In der Zuwendung zu anderen Menschen, <strong>im</strong><br />

heilenden Gespräch und der wunderbaren Heilung, waren Menschen der Zeit und ihrem<br />

Druck enthoben, befreit. Sie waren ihre Sorgen los, allein dadurch, daß sie sich auf die<br />

Zeit mit Jesus eingelassen haben. Sie waren sie los für einen Augenblick, aber dieser<br />

Augenblick hatte es in sich. Es war ein Augenblick der Ewigkeit, ein Moment der Gegenwart<br />

des Reiches Gottes. In der linearen, geschichtlichen Zeit geht solch ein Augenblick<br />

vorüber wie ein Augenblick. Aber in seinen heilenden Wirkungen kann er Ewigkeiten<br />

anhalten. So ereignete sich in der Begegnung mit Jesus, in einer personalen Begegnung,<br />

die Fülle der Zeit. In der Nachfolge Jesu Christi kann diese Qualität der Zeit<br />

sich auch in personalen Beziehungen unter Menschen ereignen und darin die Gestaltung<br />

der Zeit best<strong>im</strong>men.<br />

35 Vgl. Achtner, Kunz, Walter, D<strong>im</strong>ensionen 174f, die das tripolare Zeitgefüge in Analogie zu den drei<br />

D<strong>im</strong>ensionen des Liebesgebotes interpretieren.<br />

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