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Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

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eflexiv verstanden wird. Das heißt, daß die Zeit keine subjektunabhängige Realität besitzt,<br />

sondern konstitutiv auf das Subjekt von Zeiterfahrung und Zeitreflexion bezogen<br />

ist. 6<br />

Auf dem Hintergrund dieses komplexen, reflexiven und auf Erfahrung bezogenen Zeitbegriffs<br />

ist ein theologisches Verständnis der Zeit zu entfalten. Aus theologischer Perspektive<br />

müssen dabei unterschiedliche Fragestellungen berücksichtigt werden. Dazu<br />

zählt die Frage nach dem Ursprung der Zeit, also das Verhältnis von Zeit und Gott als<br />

dem Schöpfer der Welt; dazu zählt weiter die Fragestellung, wie sich Zeit und Ewigkeit<br />

zueinander verhalten und ob Gott eine „Eigenzeit“ zugeschrieben werden kann. 7 Damit<br />

bewegen wir uns <strong>im</strong> Feld der Bedingungen der Möglichkeit von Zeit in theologischer<br />

Sicht. Dann ist zu thematisieren, wie theologisch die Zeit des Menschen, seine Geschichtszeit<br />

zu best<strong>im</strong>men ist und wie sich diese Zeit der Menschen zu der Zeit Gottes<br />

verhält. Schließlich soll erörtert werden, was ein theologisches Verständnis der Zeit für<br />

das Thema der <strong>Geschichte</strong> austrägt.<br />

2.2 Theo-logische Signatur der Zeit<br />

In diesem Abschnitt soll die Zeit in theo-logischer Perspektive betrachtet werden, das<br />

heißt in ihrer Beziehung zu Gott. Diese Betrachtung gerät leicht in die Gefahr, spekulativ<br />

zu geraten, denn es kann natürlich niemand die Perspektive Gottes in einem<br />

authentischen Sinn einnehmen. Aussagen über Gott und die Zeit haben daher in einem<br />

erhöhten Maße hypothetischen Charakter. Dennoch ist es unerläßlich, zu dieser Frage<br />

Aussagen zu machen, setzt man, wie es der christliche Glaube tut, Gott als den Grund<br />

der Wirklichkeit voraus. Aussagen über Gott und die Zeit sind Aussagen, die über die<br />

Wirklichkeit als einer von Gott begründeten und best<strong>im</strong>mten gemacht werden. Sie<br />

kommen zustande, indem auf Erfahrungen, die in Texten und Zeugnissen geronnen sind,<br />

Bezug genommen wird, die Menschen in der Zeit und mit der Zeit gemacht haben.<br />

2.2.1 Zeit Gottes und Zeit der Welt – eine Verhältnisbest<strong>im</strong>mung<br />

Zunächst läßt sich feststellen, daß nach dem Zeugnis der biblischen Schriften Gott den<br />

Menschen und der Welt Zeit gibt. „Am Anfang“ schuf Gott H<strong>im</strong>mel und Erde, kreierte<br />

den Rhythmus von Tag und Nacht. In seinem Schöpfungshandeln legte Gott sowohl den<br />

Grund für die zyklische wie die lineare Zeiterfahrung der Menschen. Die Zyklizität der<br />

Zeit wird etwa <strong>im</strong> Noahbund von Gott erneuert. Die lineare Zeit wird in den Erzählungen<br />

von Abraham, dem Exodus und der Landnahme sowie der <strong>Geschichte</strong> des<br />

Volkes Israel erkennbar. 8 Gott gab die Zeit, von daher kann man zurückschließen, daß<br />

Gott selbst auch Zeit hat. Die Zeit Gottes als eine die Zeit der Schöpfung und der Men-<br />

6 Mit dieser Einsicht werden Überlegungen etwa Kants, McTaggarts und Heideggers aufgenommen.<br />

Vgl. Sandbothe, Verzeitlichung, hier 45ff.<br />

7 Vgl. zu diesen Fragen auch Christian Link, Schöpfung. Schöpfungstheologie angesichts der Herausforderungen<br />

des 20. Jahrhunderts (HST 7/2), Gütersloh 1991, 408ff und 446ff.<br />

8 Vgl. Siegfried Herrmann, Zeit und <strong>Geschichte</strong>, Stuttgart 1977, 96ff.<br />

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