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Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

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2 Die Zeit der <strong>Geschichte</strong><br />

2.1 Einleitung<br />

Ein jegliches hat seine Zeit,<br />

und alles Vorhaben unter dem H<strong>im</strong>mel<br />

hat seine Stunde.<br />

Prediger Salomo 3,1<br />

Als aber die Zeit erfüllt war, …<br />

Galater 4,4<br />

Die Frage nach der Zeit hat gegenwärtig besonders Konjunktur. Dafür lassen sich verschiedene<br />

Gründe benennen. Zum einen zählt dazu sicherlich die vergangene Jahrtausendwende.<br />

Der Wechsel vom 2. zum 3. Jahrtausend setzt Befürchtungen und Ängste<br />

ebenso frei wie Erwartungen und Hoffnungen. Auch wenn bei einer nachdenklichen<br />

Betrachtung dieser numerischen Zäsur sich das Bewußtsein einstellt, daß die Kontinuitäten<br />

und beharrlichen Kräfte und Strukturen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft<br />

stärker sind als die Brüche, bekommt diese Zäsur <strong>im</strong> Bewußtsein der Menschen eine<br />

besondere Bedeutung. Weiter setzt auch die Erfahrung der Beschleunigung, die die Zeit<br />

<strong>im</strong> Erleben <strong>im</strong>mer kürzer und knapper werden läßt, Überlegungen zum rechten Umgang<br />

mit der Zeit <strong>im</strong> persönlichen Leben wie in der Gestaltung von Arbeit und Freizeit, von<br />

Gesellschafts- und Wirtschaftsstrukturen frei. 1 Auch gerät durch physikalische Grundlagenforschung<br />

die Vorstellung der Zeit ins Fließen; unterschiedliche Zeitmodelle, das<br />

lineare und das komplexe sowie Übergangsformen, stehen teils komplementär, teils unvermittelt<br />

nebeneinander. Und schließlich gerät der Mensch, zumindest in den westlich<br />

geprägten Gesellschaften, unter einen Zeitgestaltungszwang, der durch die gesellschaftlichen<br />

Verhältnisse und die individuellen Bedürfnislagen initiiert ist. So n<strong>im</strong>mt es nicht<br />

Wunder, daß das Thema der Zeit gegenwärtig besonders virulent ist. Dabei kann man<br />

eine unübersichtliche Forschungslage konstatieren, die neuerdings nicht mehr durch den<br />

Gegensatz von philosophisch-geisteswissenschaftlichem und physikalisch-naturwissenschaftlichem<br />

Zeitverständnis geprägt ist, sondern von inter- und intradisziplinären Bemühungen.<br />

2 Hier ist nicht der Ort, um die Diskussion auch nur einigermaßen vollständig<br />

nachzuzeichnen. Ich beschränke mich daher auf die Darstellung grober Linien, soweit<br />

diese für den folgenden Gedankengang relevant erscheinen.<br />

In diesem Kapitel frage ich nach der Bedeutung und dem Verständnis der Zeit für die<br />

<strong>Geschichte</strong> aus theologischer Perspektive. Bevor ich diese Frage angehe, soll in der gebotenen<br />

Kürze und Vereinfachung nochmals der Stand der Diskussion der Frage nach<br />

der Zeit resümiert werden.<br />

1 Vgl. Fritz Reheis, Die Kreativität der Langsamkeit, Darmstadt 1996.<br />

2 Vgl. Antje G<strong>im</strong>mler / Mike Sandbothe / Walther Chr. Z<strong>im</strong>merli (Hg.), Die Wiederentdeckung der<br />

Zeit, Darmstadt 1997, 1.<br />

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