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Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

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Für die paulinischen Zukunftsaussagen läßt sich feststellen, daß es dabei „zentral um<br />

Gott, genauer: um Gottes Gott-bleiben in der <strong>Geschichte</strong>“ geht. Die Tatsache, daß die<br />

Zukunft als Zukunft Gottes angesagt wird, führt dazu, daß „die Gegenwart nicht der<br />

Gottferne preisgegeben [wird] wie weithin in der Apokalyptik, sondern gerade in ihrer<br />

scheinbaren Gottferne als Zeit Gottes verstehbar“ 26 wird. Paulus’ eigene theologische<br />

Leistung dürfte es sein, die Zukunftsaussagen streng auf das Christuskerygma bezogen<br />

zu haben. 27 Neben die Fokussierung der Zeit auf die Gegenwart tritt damit eine Fokussierung<br />

der Zeit auf Christus.<br />

Eigenart paulinischen Zukunftsdenkens ist der „energische Bezug aller Zukunftserwartung<br />

auf Kreuz und Auferstehung Jesu“. Dieser Bezug „macht das, was bisher Vorstellung<br />

über die Zukunft oder irgendwelche Erwartung war, zu gewisser Hoffnung“ 28 .<br />

Die Hoffnung der Auferstehung Jesu Christi und darum auch die Gewißheit ihrer Gegenwart<br />

gerade in der Hoffnungslosigkeit steht über jeder hoffnungslosen Situation.<br />

Hoffnung wird für Paulus so zur Chiffre „für die Existenz von einer Zukunft her, die<br />

ganz allein Gottes Zukunft ist“ 29 .<br />

Der Entwurf einer futurischen Eschatologie ist bei Paulus von einem Grundzug theologischen<br />

Denkens best<strong>im</strong>mt, der darin besteht, daß streng unterschieden wird zwischen<br />

der Wirklichkeit des Menschen, in der er lebt, und der Tat Gottes, die ihm als Gnade<br />

begegnet. So kommt Luz zu dem Schluß, daß „Ernstnehmen der unerlösten Wirklichkeit<br />

und futurische Eschatologie“ zusammengehören, „denn futurische Eschatologie ermöglicht<br />

es, von Gott eschatologisch zu reden, ohne die Wirklichkeit zu überspringen. Das<br />

Heil Gottes in der Gegenwart aber besteht dann <strong>im</strong> Wunder der überraschenden Präsenz<br />

Gottes gerade in der menschlichen Schwachheit“ 30 . Diese Präsenz Gottes mit der<br />

menschlichen Schwachheit wird zu berücksichtigen sein bei den Überlegungen zum<br />

Zeitverständnis und zum Gottesverständnis.<br />

Hans Weder expliziert die Bedeutung des Kreuzes bei Paulus für den Geschichtsbezug<br />

des christlichen Glaubens in einer zugespitzten Form, indem er Einsichten der analytischen<br />

Geschichtsphilosophie für die Theologie fruchtbar macht. Er zeigt, daß das Interesse<br />

der Theologie an der Universalgeschichte darin begründet ist, „weil damit nicht<br />

zuletzt die Einzigkeit Gottes auf dem Spiel steht“ 31 . Wenn aber, wie die Geschichtsphilosophie<br />

lehrt, für die <strong>Geschichte</strong> nicht von einem einheitlichen Handlungssubjekt<br />

ausgegangen werden kann, sondern das Referenzsubjekt 32 der <strong>Geschichte</strong> ihre Einheit<br />

und die <strong>Geschichte</strong> dem Referenzsubjekt seine Identität verleiht, so stellt sich die Fragen<br />

nach der Einheit der <strong>Geschichte</strong> für den christlichen Glauben neu. Insbesondere ist<br />

zu fragen, welchen Status die <strong>Geschichte</strong> der Menschwerdung Gottes, also die <strong>Geschichte</strong><br />

von Kreuz und Auferstehung, für die <strong>Geschichte</strong> hat.<br />

26<br />

Luz, Geschichtsverständnis 300 (<strong>im</strong> Original kursiv).<br />

27<br />

28<br />

29<br />

Vgl. Luz, Geschichtsverständnis 307ff.<br />

Luz, Geschichtsverständnis 396 (Zitat <strong>im</strong> Original kursiv).<br />

Luz, Geschichtsverständnis 397.<br />

30<br />

31<br />

Luz, Geschichtsverständnis 359ff, Zitat 384 (<strong>im</strong> Original kursiv).<br />

Weder, Kreuz 81.<br />

32<br />

Zu den Begriffen Handlungssubjekt und Referenzsubjekt siehe Hermann Lübbe, Geschichtsbegriff<br />

und Geschichtsinteresse, Basel 1977, 69ff sowie oben 1.4.3.<br />

207

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