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Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

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Paulus hat „weder eine heilsgeschichtliche oder universalgeschichtliche Gesamtschau<br />

noch lediglich einen mythisch umschriebenen Entscheidungsruf <strong>im</strong> Blick“ 18 . Paulus<br />

kennt „‚Heilsgeschichte‘ nicht als geschichtlichen Prozeß, wohl aber als Bundessetzungen<br />

in der <strong>Geschichte</strong>, die das Vorzeichen für geschichtliche Abläufe bilden, die<br />

untereinander zwar nur durch den Bogen der Verheißung verbunden sind, aber nach<br />

dem ‚Heilsratschluß‘ Gottes in einem best<strong>im</strong>mten ‚Jetzt‘ als ‚Berufung‘ begegnen. Er<br />

kennt Heilsgeschichte als Erwählungs-, Verheißungs- und Berufungsgeschichte.“ 19 Interpretationen<br />

von <strong>Geschichte</strong> sind damit pr<strong>im</strong>är auf ihrem Bezug auf die Gegenwart des<br />

Glaubenden bezogen.<br />

Im Umgang mit dem Alten Testament läßt sich bei Paulus ein Interesse an der Einordnung<br />

einzelner Episoden in die Gesamtgeschichte des Volkes ebensowenig erkennen<br />

wie ein dominierendes hermeneutisches Schema für die Vergegenwärtigung geschichtlicher<br />

Tatbestände. Interesse an der Vergangenheit besteht für Paulus nur insoweit, als<br />

sie der Ort ist, an dem Gott spricht und handelt. 20 Das Sprechen der Vergangenheit<br />

bleibt für Paulus exemplarisch, er bietet keinen Anhaltspunkt, die bei ihm auftauchenden<br />

alttestamentlichen Geschichtsepisoden „in so etwas wie eine lineare Gesamtschau<br />

der alttestamentlichen <strong>Geschichte</strong> einzubauen“ 21 . Schon hier sei darauf hingewiesen,<br />

daß diese Sicht der Vergangenheit mit Einsichten der modernen Geschichtswissenschaft<br />

korrespondiert. So urteilt R. Wittram: „Die Kontinuität von Gottes Handeln in<br />

der <strong>Geschichte</strong> ist nicht objektiviert wahrzunehmen, alle Kontinuitäten sind Teilansichten<br />

der historischen Vernunft. Wenn man dessen gewiß ist, daß Gott die <strong>Geschichte</strong><br />

macht, wird uns ein Sinnvertrauen geschenkt, das sowohl eine christliche als ein säkularisierte<br />

als auch eine genuin welthafte Totaldeutung entbehrlich macht.“ 22 Dem entspricht<br />

es, wenn aus kulturanthropologischer Sicht das Zeitverständnis des Paulus auf<br />

die Bedeutung der Gegenwart als Zeit des Übergangs konzentriert verstanden wird. 23<br />

Die Objektivierung von theologischen Fundamentalien wie Sünde, Gesetz und Adam zu<br />

einem „bloßen Geschichtsbild“ wird bei Paulus „verhindert, indem das Geschichtsdenken<br />

an Erfahrung gebunden bleibt“ 24 . Die Relevanz der Vergangenheit ergibt sich<br />

aus der individuellen Einbettung in das auf den Einzelnen zukommende Heilsgeschehen.<br />

Hier hat ein existentiales Verständnis von <strong>Geschichte</strong> seinen Ort. Vergangenheit<br />

wird „nicht um ihrer selbst willen, sondern um der Gegenwart willen zur Sprache gebracht“<br />

25 .<br />

ein heilsgeschichtlicher, universaler Weltplan anordnet. Zu Darstellung und Kritik dieser Positionen<br />

vgl. bei Roloff die Literatur in Anm. 32.<br />

18<br />

Goppelt, Theologie 387.<br />

19<br />

Goppelt, Theologie 388.<br />

20<br />

Vgl. dazu und zum folgenden insgesamt U. Luz, Das Geschichtsverständnis des Paulus, München<br />

1968, hier 83f.<br />

21 Luz, Geschichtsverständnis 135.<br />

22 R. Wittram, Möglichkeiten und Grenzen der Geschichtswissenschaft in der Gegenwart, ZThK 62<br />

(1965) 430–457, Zitat 455.<br />

23 Vgl. dazu Christian Strecker, Die Zeitenwende bei Paulus, in: Wolfgang Sommer (Hg.), Zeitenwende<br />

– Zeitenende (Theologische Akzente 2), Stuttgart 1997, 45–63.<br />

24 Luz, Geschichtsverständnis 224.<br />

25 Luz, Geschichtsverständnis 226.<br />

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