Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau
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est<strong>im</strong>mt. 5 Durch Höhen und Tiefen hindurch wird dieser Glaube bewährt. Er prägt das<br />
Weltbild und das Zeitverständnis. Die Schriften des Alten Testaments werden in den<br />
Zeithorizont vom Anfang der Welt (Schöpfungsgeschichten) bis zur Vollendung<br />
(Apokalyptik) eingeordnet. 6 So wurde die Meinung geäußert: „Für den alttestamentlichen<br />
Menschen ist die <strong>Geschichte</strong> die Denkform des Glaubens.“ 7 Dagegen wurde zwar<br />
Widerspruch laut, doch läßt sich mindestens sagen, daß auch die Bereiche Recht, Kultus<br />
und Weisheit, wenn auch in unterschiedlichem Maße, in die <strong>Geschichte</strong> integriert wurden.<br />
Allerdings ist festzuhalten, daß das Alte Testament, obgleich in der in ihm berichteten<br />
<strong>Geschichte</strong> Gottes mit seinem Volk die Wurzel für den neuzeitlichen Geschichtsbegriff<br />
als zielgerichteten Prozeß gesucht wurde, gerade kein vergleichbares Wort für<br />
„<strong>Geschichte</strong>“ kennt. 8 Urteile über das Geschichtsverständnis des Alten Testaments leiden<br />
gelegentlich darunter, daß sie das neuzeitliche Verständnis von <strong>Geschichte</strong> in das<br />
Alte (und auch das Neue) Testament eintragen. 9 Pointiert gilt das auch für ein Verständnis<br />
von <strong>Geschichte</strong>, „für das <strong>Geschichte</strong> eigentlich und wesentlich politisches Geschehen<br />
ist“. 10 Demgegenüber ist zu betonen und für unseren Zusammenhang aufschlußreich,<br />
daß es für die israelitische Geschichtsschreibung eine besonders bezeichnende<br />
Tendenz ist, „die Wirklichkeitsdarstellung und Wirklichkeitserfahrung einer<br />
vergangenen Epoche in die veränderte Wirklichkeitserfahrung und Wirklichkeitsdarstellung<br />
der Gegenwart aufzunehmen oder sie in irgendeiner Weise mit ihr zu verbinden.<br />
Das eindrücklichste Beispiel für diese Tendenz ist der Pentateuch, der ja eine ganze<br />
Skala aufeinanderfolgender Konzeptionen von <strong>Geschichte</strong> miteinander verarbeitet hat,<br />
ohne daß es für richtig oder notwendig gehalten wurde, daß die neue Konzeption die<br />
ältere auslöschte oder zum Verschwinden brachte.“ 11<br />
Zu beachten <strong>im</strong> Blick auf die Rede von Heilsgeschichte ist ebenfalls, zumindest für die<br />
Thronnachfolgegeschichte, vermutlich aber weit darüber hinaus, daß „hinter allem Geschehen<br />
Gott steht“, es also um das wechselseitig zwischen Gott und Mensch Gesche-<br />
5<br />
Dabei ist nach Koch, Art. <strong>Geschichte</strong> … 573, eine „Eigengeschichte Gottes (…) undenkbar“. Die<br />
von Koch behauptete Ersetzung der Theogonie durch Ethnogonie erscheint st<strong>im</strong>mig, wird Theogonie<br />
als Mythos verstanden. Im Blick auf die narrative Konstitution von <strong>Geschichte</strong> erscheint mir jedoch<br />
eine Korrespondenz von Theogonie und Ethnogonie zutreffender.<br />
6<br />
Die Hineinnahme der Schöpfung in eine geschichtliche Betrachtung des Glaubens weist <strong>im</strong>plizit<br />
schon auf eine mögliche <strong>Geschichte</strong> der Natur hin, die philosophisch erst in neuerer Zeit gedacht<br />
worden ist.<br />
7<br />
Isac Leo Seeligmann, Menschliches Heldentum und göttliche Hilfe. Die doppelte Kausalität <strong>im</strong> alttestamentlichen<br />
Geschichtsdenken, ThZ 19, 1963, 385–411, hier 385.<br />
8<br />
Vgl. G. Scholtz, Art. <strong>Geschichte</strong>, Historie II-VI, in: HWP 3, 1974, 345–398, hier 345; Koch, Art.<br />
<strong>Geschichte</strong> … 570.<br />
9<br />
Koch, Art. <strong>Geschichte</strong> … 572: „Das alttestamentliche Interesse an <strong>Geschichte</strong> artikuliert sich kaum je<br />
historisch <strong>im</strong> modernen Sinn: Weder werden überkommene Nachrichten quellenkritisch auf einen<br />
zuverlässigen Ausgang von Augen- oder Ohrenzeugen geprüft, noch ist man bestrebt, Ursachen und<br />
Wirkungen „innerweltlich“ zu verknüpfen. Ausgewählt [Hervorhebung KFG] wird, was für die Heilsfrage<br />
des israelitischen Menschen bedeutsam erscheint.“<br />
10<br />
Claus Westermann, Zum Geschichtsverständnis des Alten Testaments, in: H.W. Wolff (Hg.), Probleme<br />
biblischer Theologie (FS von Rad), München 1971, 611–619, Zitat 611 zu E. Meyer und G.v.<br />
Rad, die an der Thronnachfolgegeschichte zum einen bemängeln, daß es rein „profane Texte“ seien<br />
(Meyer), zum anderen, daß die politischen Vorgänge „<strong>im</strong> Persönlichen und <strong>im</strong> Familiären verankert<br />
werden“ (v. Rad).<br />
11<br />
Westermann, Geschichtsverständnis 612 (Hervorhebung von KFG).<br />
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