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Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

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„zum Verlust des Eigengewichts der <strong>Geschichte</strong> und zu ihrer Reduktion auf die bloße<br />

Vorgeschichte einer verheißenen Zukunft, von der ihr bleibender Wert vollständig abhängt“<br />

152 . Dieser Tendenz bei Moltmann steht aber zur Seite, daß er <strong>im</strong> Verlauf seines<br />

theologischen Nachdenkens die Gewichte von der Zukunft auf die Gegenwart verlagert.<br />

Seine Überlegungen etwa zum erfüllten Augenblick machen die Aspekte einer präsentischen<br />

Eschatologie stärker, als dies in der „Theologie der Hoffnung“ zu erkennen<br />

ist. Die kontinuierliche Arbeit Moltmanns am Zeitverständnis versucht eine Integration<br />

futurischer und präsentischer Eschatologie ebenso, wie eine Verbindung von Ewigkeit<br />

und Zeitlichkeit.<br />

3.7.3 Die Möglichkeiten der <strong>Geschichte</strong><br />

Im Blick auf den Ablauf der <strong>Geschichte</strong> und deren Möglichkeiten nach Moltmanns Vorstellung<br />

entsteht ein widersprüchlicher Eindruck. Dieser beruht auf drei unterschiedlichen<br />

Aspekten, die von Moltmann relativ unvermittelt nebeneinander <strong>im</strong>mer wieder<br />

betont werden. Der erste Aspekt ist der des Neuen. Moltmann sieht <strong>Geschichte</strong> als<br />

Raum und Reservoir von Möglichkeiten. Gestaltung und Veränderung von <strong>Geschichte</strong><br />

und Wirklichkeit sind dem Menschen durch den Schöpfungsauftrag angetragen und dem<br />

Christen durch die Sendung aufgetragen. Weiter gibt es für Moltmann einen ontologischen<br />

Vorrang der Möglichkeit vor der Wirklichkeit. 153 Daneben taucht bei Moltmann<br />

aber auch die Vorstellung des göttlich Möglichen auf, das aus der Zukunft der <strong>Geschichte</strong><br />

in diese hineinragt und der <strong>Geschichte</strong> selbst erst Zukunft eröffnet, sie zugleich<br />

aber auch best<strong>im</strong>mt. Es wird nicht ganz klar, wie sich dieses göttlich Mögliche und die<br />

Möglichkeiten der <strong>Geschichte</strong> zueinander verhalten. Das göttlich Mögliche ist gebunden<br />

an die göttlichen Verheißungen. Die Möglichkeiten der <strong>Geschichte</strong> sind theologisch als<br />

<strong>im</strong> von den Verheißungen eröffneten Raum der <strong>Geschichte</strong> vorzustellen. Ist also das<br />

geschichtlich Mögliche eine Folge des göttlich Möglichen, und dieses proleptisch in<br />

Christus wirklich geworden, so ist geschichtlich nicht alles möglich. Das Neue der <strong>Geschichte</strong><br />

kann nur sein, was dem göttlich Möglichen entspricht.<br />

Der zweite Aspekt betrifft die Frage nach dem Leiden in der <strong>Geschichte</strong>. Moltmann<br />

n<strong>im</strong>mt in seinen Überlegungen die Schattenseiten der <strong>Geschichte</strong>, ihre Katastrophen und<br />

das Leiden in und an ihr auf. Er verbindet dies in seiner Kreuzestheologie mit dem Leiden<br />

Christi und der Vorstellung des trinitarischen Leidens Gottes am Kreuz. 154 Aus dem<br />

Kreuzesgeschehen, aus der <strong>Geschichte</strong> des Kreuzes heraus, ist zu entwickeln, was unter<br />

„Gott“ zu verstehen ist. Dieser am Kreuz orientierten Best<strong>im</strong>mung Gottes und der <strong>Geschichte</strong><br />

steht die Best<strong>im</strong>mung der Zukunft der <strong>Geschichte</strong> und der Zukunft Christi an<br />

der Seite, die am Ereignis der Auferweckung orientiert ist. Was in der <strong>Geschichte</strong> von<br />

Kreuz und Auferstehung als historisch lineare Folge erzählt wird, wird bei Moltmann<br />

auf den Gang der <strong>Geschichte</strong> der Welt und der <strong>Geschichte</strong> Gottes selbst übertragen.<br />

152 Brauer, Theologie <strong>im</strong> Horizont der <strong>Geschichte</strong> 309.<br />

153 Zur Aufnahme und Problematik der Blochschen Kategorie des Möglichen vgl. G. Sauter, Angewandte<br />

Eschatologie, in: W.-D. Marsch, Diskussion, 106–121, hier 115ff.<br />

154 Vgl. Der gekreuzigte Gott 231ff.<br />

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