Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau
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Die zweite biblische Einsicht hat Bedeutung für den Sinn der <strong>Geschichte</strong> und die Verhältnisbest<strong>im</strong>mung<br />
von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Es ist die Einsicht in<br />
die fundamentale Bedeutung von Kreuz und Auferweckung Jesu Christi. Die Bedeutung<br />
für den Sinn der <strong>Geschichte</strong> besteht darin, daß <strong>im</strong> Ereignis von Kreuz und Auferweckung<br />
die <strong>Geschichte</strong> in einem universalen Sinn erfüllt ist. Im Kreuz drückt sich die<br />
Teilnahme Gottes an der <strong>Geschichte</strong> der Menschen aus. Kenosis und Inkarnation sind<br />
die Formeln, die die Zuwendung Gottes inhaltlich beschreiben. Gott hat mit der <strong>Geschichte</strong><br />
nicht nur zu tun in Form ihrer Konstituierung und eschatischen 149 Erfüllung,<br />
sondern auch in Form des Eingehens in die <strong>Geschichte</strong> als geschichtliches Ereignis. Dadurch<br />
bekommt <strong>Geschichte</strong> ihren endgültigen Sinn, wird geheiligte <strong>Geschichte</strong>. Zugleich<br />
gibt sich Gott selbst eine <strong>Geschichte</strong> in, mit und unter der Weltgeschichte. Gott in<br />
der <strong>Geschichte</strong> hat sich damit auch den Strukturbedingung dieser <strong>Geschichte</strong> unterworfen.<br />
Mit Kenosis und Inkarnation hat Gott diese Strukturbedingungen neu geordnet.<br />
Nicht mehr allein die Zukunft ist die besonders qualifizierte D<strong>im</strong>ension der Zeit, sondern<br />
auch die Gegenwart. Im Ereignis von Kreuz und Auferweckung, die durch den<br />
Heiligen Geist aktualisiert werden, gewinnt die Gegenwart Anteil an der Fülle der Zeit<br />
und des Lebens, die der Ewigkeit Gottes zu eigen ist.<br />
2. Moltmann konzipiert seine Theologie der Hoffnung <strong>im</strong> Zusammenhang des modernen<br />
Fortschrittsdenkens. Dieses Fortschrittsdenken erscheint bei ihm zwar nicht ungebrochen,<br />
aber die Prävalenz der Zukunft ist doch deutlich. Auch erscheint die Zukunft<br />
nicht pr<strong>im</strong>är als von Menschen machbar, aber aus der christlichen Hoffnung heraus kann<br />
und muß diese Zukunft gestaltet werden. Nun ist aber, wie oben gezeigt, der Fortschrittsgedanke<br />
fragwürdig geworden und die Zukunft trägt eher die Signatur der Apokalypse<br />
als der Hoffnung.<br />
Moltmann bringt auch starke Argumente gegen den Einwand, die Hoffnung würde den<br />
Menschen um das Glück der Gegenwart betrügen. 150 Doch kann sich die Hoffnung ja<br />
auch gerade auf die Gegenwart richten. Die Hoffnung hätte dann nicht nur einen futurischen,<br />
sondern auch einen präsentischen Zug.<br />
Moltmann n<strong>im</strong>mt später die Zukunftsorientierung ein Stück weit zurück, indem er <strong>im</strong><br />
Zusammenhang der Schöpfung und der Eschatologie auf den Sabbat als Ziel rekurriert<br />
und damit die Dynamik und das (sündig verstandene) Schaffen des Menschen, das pervertiert<br />
als Machbarkeitswahn erscheint, als sich aus dem christlichen Glauben ergebende<br />
Gestaltungsaufgabe des Menschen in den Hintergrund stellt. Damit reagiert er<br />
auch auf die Kritik an der Vorstellung der Machbarkeit von <strong>Geschichte</strong> und der technisch-wissenschaftlichen<br />
Beherrschung der Welt. Er n<strong>im</strong>mt dabei <strong>im</strong>mer wieder unter<br />
den Stichworten Postmoderne, Ökologie, Natur, christlich-jüdischer Dialog und femi-<br />
stehung das Neue insgesamt best<strong>im</strong>mt und definiert sieht und also inhaltlich <strong>im</strong> strengen Sinn das<br />
Neue nichts anderes ist, als in der Auferstehung Jesu Christi verheißen und vorweg erfüllt ist.<br />
149 Mit dem Ausdruck „eschatisch“ nehme ich die Anregung auf, die Wilfried Härle, Dogmatik, Berlin<br />
1995, 605, gegeben hat, um das zu bezeichnen, was zur vollendeten Welt gehört. „Eschatologisch“<br />
bezeichnet dagegen das, was zur Lehre von der vollendeten Welt gehört (ebd. Anm. 8). Vermutlich<br />
würde diese Differenzierung auch bei der Präzisierung der Aussagen Moltmanns hilfreich sein.<br />
150 Vgl. Theologie der Hoffnung 21ff.<br />
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