Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

02.12.2012 Aufrufe

In Teil 1 „Philosophische Angebote“ suche ich das Gespräch vor allem mit der neueren philosophischen Diskussion der genannten Themen. Ich beginne dabei mit einem eher lexikalischen Überblick über die Arbeit an der Geschichte (1.1) und ende mit einem Exkurs zur Rede vom „Ende der Geschichte“. In Teil 2 „Theologische Konzeptionen“ werden die Konzeptionen von Wolfhart Pannenberg und Jürgen Moltmann dargestellt und diskutiert. In Teil 3 „Theologische Versuche“ setze ich mit einem Exkurs zu biblischen Akzenten zum Geschichtsverständnis ein und nehme dann die Gesprächsfäden und Einsichten aus Teil 1 und Teil 2 auf. Dabei versuche ich, die genannten Themen Zeit, Handlung, Subjekt, Ereignis und Struktur sowie Sprache für eine Theologie der Geschichte fruchtbar zu machen. Im abschließenden Teil 4 „K(l)eine Theologie der Geschichte(n)“ beabsichtige ich, in knapper, thesenhafter Form zusammenzufassen, was sich aus den Ergebnissen dieser Arbeit für die Formulierung einer „Theologie der Geschichte“ folgern läßt. 18

TEIL 1 PHILOSOPHISCHE ANGEBOTE 1 Aus der Geschichte der Arbeit an Geschichte Wer nichts vergißt ist ein ungebildeter Mensch. Er wird wenig verstehen. Eberhard Jüngel Die Überlegungen dieser Arbeit zu einer gegenwärtigen Theologie der Geschichte geschehen auf dem reichen vielfältigen Hintergrund philosophischer und theologischer Arbeit am Begriff der Geschichte. Es erscheint daher angemessen, zunächst einen Blick auf diese Geschichte des Begriffs Geschichte zu werfen. Da die Wege der Arbeit am Geschichtsbegriff und die Aspekte des Geschichtsbegriffs außerordentlich vielfältig sind, 1 beschränke ich mich auf Themenbereiche, die einerseits einen gewissen, freilich perspektivischen Überblick vermitteln, andererseits mir für den weiteren Fortgang dieser Arbeit relevant erscheinen. Es ist im Rahmen dieser Arbeit – und dieses Kapitels – allerdings nur ein Überblick möglich, der an der Oberfläche bleibt. Die dabei gemachten Beobachtungen werden dann später an ausgewählten Punkten vertieft werden. Die folgende Darstellung umfaßt dabei systematische Gesichtspunkte im Blick auf die in dieser Arbeit gewählten Leitbegriffe von Geschichte wie auch historisch darstellende Abschnitte. Diese Verschränkung von systematischer und historischer Darstellung ergibt sich zum einen aus dem systematischen Interesse, zum anderen aus der Unterstellung, daß es keine rationale Entwicklungslogik der Arbeit an Geschichte gibt, sofern man voraussetzt, daß die Arbeit an Geschichte selbst geschichtlich bedingt ist. 1.1 Zum semantischen Gehalt und zum Gegenstandsfeld Die Bedeutung des Ausdrucks „Geschichte“ wandelt sich im Laufe der Geschichte. Generell läßt sich eine Spannbreite ausmachen, die vom einzelnen Geschehen bis zum Gesamtzusammenhang der „Weltgeschichte“ reicht. Bereits in der Antike läßt sich ein Bedeutungswandel des Begriffs Historie erkennen. Die Grundbedeutung „Erkundung“ bezeichnet zunächst die Naturkunde der Ionier in ihrem ganzen Umfang, dann sowohl die Frage nach dem Ursprung und Prinzip des Weltganzen und seiner Ableitung aus einem belebenden Grundstoff sowie zugleich die Erkundung und Erforschung seltener und rätselhafter Naturphänomene. Später verschiebt sich die Bedeutung von der Tätigkeit auf das Ergebnis des Erkundens. Seit Aristoteles ist „Historie“ ein fester Begriff für die Geschichtsschreibung als literarische Gattung. Im Lateinischen wird durch das Lehnwort Historie eine tiefere Zusammenhänge erfassende oder zeitgeschichtliche Dar- 1 Vgl. nur die einschlägigen Artikel im Historischen Wörterbuch der Philosophie (HWP), hg. von Karlfried Gründer, Joachim Ritter und Gottfried Gabriel, Darmstadt 1971ff. 19

TEIL 1<br />

PHILOSOPHISCHE ANGEBOTE<br />

1 Aus der <strong>Geschichte</strong> der Arbeit an <strong>Geschichte</strong><br />

Wer nichts vergißt ist ein ungebildeter Mensch.<br />

Er wird wenig verstehen.<br />

Eberhard Jüngel<br />

Die Überlegungen dieser Arbeit zu einer gegenwärtigen Theologie der <strong>Geschichte</strong> geschehen<br />

auf dem reichen vielfältigen Hintergrund philosophischer und theologischer<br />

Arbeit am Begriff der <strong>Geschichte</strong>. Es erscheint daher angemessen, zunächst einen Blick<br />

auf diese <strong>Geschichte</strong> des Begriffs <strong>Geschichte</strong> zu werfen. Da die Wege der Arbeit am<br />

Geschichtsbegriff und die Aspekte des Geschichtsbegriffs außerordentlich vielfältig<br />

sind, 1 beschränke ich mich auf Themenbereiche, die einerseits einen gewissen, freilich<br />

perspektivischen Überblick vermitteln, andererseits mir für den weiteren Fortgang dieser<br />

Arbeit relevant erscheinen. Es ist <strong>im</strong> Rahmen dieser Arbeit – und dieses Kapitels –<br />

allerdings nur ein Überblick möglich, der an der Oberfläche bleibt. Die dabei gemachten<br />

Beobachtungen werden dann später an ausgewählten Punkten vertieft werden.<br />

Die folgende Darstellung umfaßt dabei systematische Gesichtspunkte <strong>im</strong> Blick auf die<br />

in dieser Arbeit gewählten Leitbegriffe von <strong>Geschichte</strong> wie auch historisch darstellende<br />

Abschnitte. Diese Verschränkung von systematischer und historischer Darstellung ergibt<br />

sich zum einen aus dem systematischen Interesse, zum anderen aus der Unterstellung,<br />

daß es keine rationale Entwicklungslogik der Arbeit an <strong>Geschichte</strong> gibt, sofern man voraussetzt,<br />

daß die Arbeit an <strong>Geschichte</strong> selbst geschichtlich bedingt ist.<br />

1.1 Zum semantischen Gehalt und zum Gegenstandsfeld<br />

Die Bedeutung des Ausdrucks „<strong>Geschichte</strong>“ wandelt sich <strong>im</strong> Laufe der <strong>Geschichte</strong>. Generell<br />

läßt sich eine Spannbreite ausmachen, die vom einzelnen Geschehen bis zum Gesamtzusammenhang<br />

der „Weltgeschichte“ reicht.<br />

Bereits in der Antike läßt sich ein Bedeutungswandel des Begriffs Historie erkennen. Die Grundbedeutung<br />

„Erkundung“ bezeichnet zunächst die Naturkunde der Ionier in ihrem ganzen Umfang, dann sowohl die<br />

Frage nach dem Ursprung und Prinzip des Weltganzen und seiner Ableitung aus einem belebenden<br />

Grundstoff sowie zugleich die Erkundung und Erforschung seltener und rätselhafter Naturphänomene.<br />

Später verschiebt sich die Bedeutung von der Tätigkeit auf das Ergebnis des Erkundens. Seit Aristoteles<br />

ist „Historie“ ein fester Begriff für die Geschichtsschreibung als literarische Gattung. Im Lateinischen<br />

wird durch das Lehnwort Historie eine tiefere Zusammenhänge erfassende oder zeitgeschichtliche Dar-<br />

1 Vgl. nur die einschlägigen Artikel <strong>im</strong> Historischen Wörterbuch der Philosophie (HWP), hg. von<br />

Karlfried Gründer, Joach<strong>im</strong> Ritter und Gottfried Gabriel, Darmstadt 1971ff.<br />

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