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Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

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„Novum“ angesprochen werden. 94 Das Neue als das Mögliche besitzt in einer Ontologie<br />

des Möglichen und Wirklichen nach Moltmann eine Prävalenz gegenüber dem Wirklichen.<br />

Das Mögliche ist aber das bei Gott in Ewigkeit Wirkliche und kann durch Prolepse<br />

und Antizipation in der Gegenwart sich ereignen. Der umfassende Heilswillen<br />

Gottes ist so die strukturelle Voraussetzung und Bedingung der Möglichkeit für das Ereignis,<br />

in dem das Neue gegenwärtig werden kann. Dies geschieht wiederum in einer<br />

zweifachen Art und Weise. Zum einen wirkt die Zukunft, und damit das Neue, kritisch<br />

auf die Gegenwart in der „Negation des Negativen“. Zum anderen ist die „Ganzheit“ der<br />

<strong>Geschichte</strong> mittels der Analogie, der Präfiguration und der Antizipation bereits gegenwärtig.<br />

95<br />

„Alles, was geschieht, ist zeitlich und geschieht in der Zeit.“ 96 Angesichts des „reis-<br />

senden Flusses der Zeit“ stellt sich die Frage nach dem, „was Bestand hat und Beständigkeit<br />

zu verleihen vermag“. Die historische Wissenschaft n<strong>im</strong>mt darum das „sich<br />

Wiederholende, Konstante und Typische, das <strong>im</strong>mer schon Dagewesene und Vergleichbare<br />

(…) zur Grundlage, auf die hin das Einmalige, Mannigfaltige und Wechselnde verrechnet“<br />

97 wird. Allerdings erweist sich auch dieses Beständige und Typische als etwas<br />

geschichtlich Gewordenes, das „<strong>im</strong> Prozeß der <strong>Geschichte</strong> als ein Offenes, Umstrittenes<br />

steht“ 98 . In theologischer Sicht kann dies nicht allein aus dem Prozeß der <strong>Geschichte</strong><br />

erhoben werden, der für den Glauben <strong>im</strong>mer auch von Anfechtung, Verfolgung, Geschichtsgebundenheit<br />

und Vergänglichkeit geprägt ist. Was angesichts dieser Lage<br />

Kontinuität und Beständigkeit ermöglicht, ist der Glaube an und die Hoffnung auf die<br />

Treue Gottes <strong>im</strong> Modus der Erinnerung an seine geschichtlichen Taten und <strong>im</strong> Modus<br />

der Hoffnung auf das Eintreten der prophetischen und apokalyptischen Verheißungen.<br />

In einer existentialen Interpretation dieser Lage der Anfechtung „tritt an die Stelle der<br />

Beständigkeit in horizontaler Erstreckung eine Art Inständigkeit in vertikaler Intensität<br />

des Seins. Beständigkeit setzt eine in Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft aufgerissene<br />

Zeit voraus; Inständigkeit aber eine <strong>im</strong> Ursprung sich einstellende Verschlungenheit<br />

von Sein und Zeit“ 99 . Nun steht aber eine derartige existentiale Interpretation in der<br />

Gefahr, Geschichtlichkeit nicht als Existential, sondern als Partizipation an der Wirklichkeit<br />

der <strong>Geschichte</strong> zu verstehen, und in der Folge davon keine Antwort auf die Frage<br />

nach dem Beständigen geben zu können, die nicht nur darin besteht, „gewesene Existenzmöglichkeiten<br />

(zu) wieder-holen und (zu) erwidern“ 100 . Horizontale Geschichtserinnerung<br />

und horizontale Geschichtserwartung „lassen sich nicht zusammenziehen in<br />

eine vertikale Unmittelbarkeit der Gegenwart des Glaubens zu Gott, ohne daß dieser<br />

Glaube der Gefahr ausgeliefert wird, sich spiritualistisch zu verflüchtigen“ 101 . Diese<br />

94<br />

Vgl. Freyer, Kontinuität und Unterbrechung 185, sowie Moltmann, Perspektiven der Theologie<br />

175ff, 251ff, bes. 254.<br />

95<br />

Vgl. Jürgen Moltmann, Umkehr zur Zukunft, München 1970, 122.<br />

96<br />

Gott in der Schöpfung 116 u.ö.<br />

97<br />

98<br />

Perspektiven der Theologie 90.<br />

Perspektiven der Theologie 90. Vgl. auch Gott in der Schöpfung 121: „Ohne das Bleibende könnten<br />

wir das Vergängliche nicht als Vergängliches begreifen. Ohne das Vergängliche könnten wir das<br />

Bleibende nicht erkennen.“<br />

99<br />

Perspektiven der Theologie 92.<br />

100<br />

Perspektiven der Theologie 92.<br />

101<br />

Perspektiven der Theologie 92.<br />

186

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