Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau
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Plural, Hoffnung und Zukunft aber nur noch <strong>im</strong> Singular“ 64 . In der weltweiten Gefahr<br />
wird also das Ungleichzeitige gleichzeitig, synchron.<br />
Nach Moltmann ist auch eine Synchronisierung der Geschichtszeit mit der Naturzeit<br />
notwendig. Es war verhängnisvoll, daß in der Neuzeit <strong>Geschichte</strong> und Natur gegeneinander<br />
ausgespielt wurden. „Die Schöpfungen der menschlichen <strong>Geschichte</strong> haben bisher<br />
nur zur Erschöpfung der Natur geführt.“ Das Zeitkonzept der menschlichen <strong>Geschichte</strong><br />
muß nach Moltmann „mit den Lebensgesetzen und den Rhythmen der Natur in der<br />
Umwelt und in der eigenen Leiblichkeit vermittelt werden“. Im Hintergrund stehen dabei<br />
die Einsichten in den ökologischen Lebenszusammenhang des „Ökosystems<br />
‚Erde‘“ 65 . Mit diesen Erwägungen versucht Moltmann, anthropozentrischen und subjektzentrierten<br />
Engführungen theologischer und philosophischer Konzepte von <strong>Geschichte</strong><br />
entgegenzuwirken.<br />
3.2.6 Relatives Ende der Zeit<br />
Im Zusammenhang seiner Eschatologie behandelt Moltmann auch das Ende der Zeit. 66<br />
Er geht dabei auf zwei biblische Vorstellungen ein, die er miteinander verbindet. Zum<br />
einen ist dies der eschatologische Augenblick bei Paulus (1 Kor 15,52), der jenen Moment<br />
bezeichnet, in dem alle Toten diachron zugleich auferweckt werden. „Dieser letzte<br />
Tag der Zeit ist zugleich die Gegenwart der Ewigkeit aller Zeiten.“ 67 Zum anderen ist<br />
dies die Vorstellung aus Offb 10,6, in dem der Engel schwört: „Es wird keine Zeit mehr<br />
sein.“ Nach Moltmann bedeutet Chronos „in diesem Zusammenhang zunächst die ‚Zeit<br />
der <strong>Geschichte</strong>‘, in der die Propheten das kommende Gehe<strong>im</strong>nis Gottes verkündigt haben,<br />
dann aber auch die ‚Zeit der Schöpfung‘, die aus der Ewigkeit des Schöpfers entsprungen<br />
ist“ 68 . Durch das Erscheinen Gottes in seiner Schöpfung erscheint auch seine<br />
Ewigkeit in der Zeit und seine Allgegenwart <strong>im</strong> Raum der Schöpfung. 69 Dadurch wird<br />
die zeitliche und räumliche Schöpfung zur ewigen und allgegenwärtigen Schöpfung<br />
verwandelt. Die Ewigkeit der neuen Schöpfung ist aber nicht identisch mit der absoluten<br />
Ewigkeit Gottes selbst – das würde den Charakter der Schöpfung aufheben –, sondern<br />
„die relative Ewigkeit der neuen Schöpfung, die an der absoluten Ewigkeit Gottes teilhat“<br />
70 . Dieser Zeitenwechsel wird in der altkirchlichen und mittelalterlichen Theologie<br />
durch den Ausdruck Aion signalisiert. Ein Ende der Zeit wird damit in doppelter Weise<br />
64 Alle Zitate aus Gott in der Schöpfung 146.<br />
65 Gott in der Schöpfung 148.<br />
66 Das Kommen Gottes 307ff.<br />
67 Das Kommen Gottes 307.<br />
68 Das Kommen Gottes 308.<br />
69 Moltmann, Gott in der Schöpfung 151ff, bes. 166, unterscheidet zwischen der „ewigen Allgegenwart<br />
Gottes“ (die wohl mit dem „Raum Gottes“ gleichzusetzen ist), dem „Raum der geschaffenen Welt“<br />
und der Schöpfung. Dabei geht seiner Meinung nach „der Raum der Schöpfung der Schöpfung und<br />
den in ihr geschaffenen Räumen voraus und ist doch nicht identisch mit der ungeschaffenen ewigen<br />
Allgegenwart Gottes“. Wolfhart Pannenberg hat an der Vorstellung eines leeren Raumes der Schöpfung<br />
zwischen der Allgegenwart Gottes und der Welt der Geschöpfe eine einleuchtende Kritik geübt,<br />
indem er darauf hinwies, daß der Raum der Schöpfung von der Welt der Geschöpfe nicht real verschieden<br />
ist, und diese „als Inbegriff von Relationen durch die Gegenwart des unendlichen Gottes bei<br />
seinen Geschöpfen konstituiert“ ist und „darin die Gewähr ihrer Einheit“ hat; vgl. Wolfhart Pannenberg,<br />
Systematische Theologie Bd. 2, Göttingen 1991, 109f, dort Anm. 229.<br />
70 Das Kommen Gottes 308.<br />
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