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Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

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hat aber ebenfalls eine kontinuierliche Richtung vom Anfang zum Ende, vom Ursprung<br />

zum Ziel, so daß Ende und Ziel <strong>im</strong> Anfang und Ursprung mitgesetzt sind. 37<br />

3.2.3 Vernetzung der Zeiten<br />

Auf dem Hintergrund dieser aus biblischen Traditionen entwickelten Differenzierung<br />

der Zeiten entwickelt Moltmann ein Modell der geschichtlichen Zeit, das sich aus Einsichten<br />

Augustins und der jüngeren Differenzierungen zu den Modalitäten der Zeit<br />

speist. 38 In diesem Modell der vernetzten Zeiten wird die lineare Zeit, die nur einfache<br />

Geschehensabläufe erfaßt, eingebettet in ein Netz von Wechselbeziehungen und Mehrfachwirkungen,<br />

in dem lineare und zyklische Abläufe kombiniert werden.<br />

Ich bringe hier zur Veranschaulichung nochmals die figürliche Darstellung der Vernetzung<br />

der Zeiten: 39<br />

GV � G � GZ<br />

� �<br />

GV � GG � GZ<br />

� �<br />

GV � GG � GZ<br />

etc. – Z<br />

Der prominenteste Modus der Zeit in diesem Netz ist dabei die Gegenwart, die sich mit<br />

ihrer Vergangenheit und Zukunft in der <strong>Geschichte</strong> bewegt. In diesem Netz besteht solange<br />

eine Zukunftsorientierung, als „die jeweilige Gegenwart nicht die Zukunft der<br />

vergangenen Gegenwart erfüllt“ 40 . Wäre eine Gegenwart die Erfüllung der Zukunft einer<br />

vergangenen Gegenwart, so würde dies das Ende der <strong>Geschichte</strong> bedeuten, da nichts<br />

Zukünftiges als Erwartung noch aussteht. Es wäre die Erfüllung einer geschichtlich <strong>im</strong>manent<br />

gedachten Eschatologie, in der es keinen unabgegoltenen Überschuß der vergangenen,<br />

ehemals gegenwärtigen Zukunft gibt. 41 Demgegenüber weist Moltmann darauf<br />

hin, „daß Zukunft als Projekt stets über Zukunft als Erfahrung hinausreicht“. Molt-<br />

37<br />

Vgl. Gott in der Schöpfung 134f sowie Freyer, Kontinuität und Unterbrechung 184f.<br />

38<br />

Dieses Modell habe ich oben 1.2.3.4 bereits ausführlich dargestellt. Moltmann kritisiert an Augustins<br />

Zeitvorstellung allerdings, daß er die Best<strong>im</strong>mung der Welt als Gottes Schöpfung „zu seiner Herrlichkeit<br />

und also zu ihrem ewigen Leben“, und damit die D<strong>im</strong>ension der Zukunft nicht beachtet habe<br />

(Gott in der Schöpfung 135). Da aber bei Moltmann das Ziel bereits <strong>im</strong> Ursprung angelegt ist, sich<br />

Anfang und Ende entsprechen, die beide als Ewigkeit best<strong>im</strong>mt werden, bekommt bei der Vermittlung<br />

von Zeit und Ewigkeit die Ewigkeit das entscheidende Gewicht (vgl. Freyer, Kontinuität und<br />

Unterbrechung 185).<br />

39<br />

Moltmann, Verschränkte Zeiten 217 (bzw. Gott in der Schöpfung 140).<br />

40<br />

Gott in der Schöpfung 140.<br />

41<br />

In „Das Kommen Gottes. Christliche Eschatologie“, München 1995, 125, läßt sich dieser Sachverhalt<br />

an der Behandlung der Frage der Auferstehung der Toten ablesen. Die noch ausstehende, eschatologische<br />

Zukunft wird indiziert durch die Differenz, die aufgetan wird durch die Auferweckung Christi<br />

und die noch ausstehende allgemeine Totenauferstehung. Vgl. zu Moltmanns Eschatologie auch<br />

Wolfhart Pannenberg, Anbrechende Zukunft. Jürgen Moltmanns Eschatologie, in: EK 29/1996, 76–<br />

78.<br />

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