Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau
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kommen. Daran anschließen werden die Voraussetzungen von Moltmanns Geschichtstheologie<br />
erörtert und <strong>im</strong> Folgenden die <strong>im</strong> Zusammenhang dieser Arbeit relevanten<br />
Einzelthemen bedacht werden.<br />
3.1.1 Geschichtliche Theologie<br />
In einem ersten Zugang versuche ich, die Voraussetzungen und Intentionen von Moltmanns<br />
Geschichtstheologie zu eruieren.<br />
Programmatisch versucht Jürgen Moltmann zu Beginn seiner Monographien, das Thema<br />
des jeweiligen Buches mit der Situation der Zeit und den sich daraus ergebenden Fragen<br />
zusammenzuschließen. Dieser Zug der Verknüpfung theologischen Denkens und gesellschaftlicher<br />
Wirklichkeit hält sich bei Moltmann kontinuierlich durch. Aus ihm heraus<br />
läßt sich auch erklären, daß er nicht eine geschlossene Dogmatik vorlegen will, sondern<br />
eine Reihe von Monographien zu den einzelnen Themen der Dogmatik, die unter dem<br />
Titel „Systematische Beiträge zur Theologie“ laufen. 5<br />
Ein geschichtliches Datum ist für Moltmanns Theologietreiben grundlegend. Dieses<br />
Datum trägt den Namen „Auschwitz“. 6 „Auschwitz“ bedeutet für Moltmann den konkreten<br />
Kontext und einen Wendepunkt <strong>im</strong> theologischen Denken <strong>im</strong> Nachkriegsdeutschland.<br />
„Dieses Nicht-mehr-von-Gott-reden-Können und Doch-von-Gott-reden-<br />
Müssen angesichts der konkreten Erfahrungen von erdrückender Schuldlast und grauenhafter<br />
Sinnlosigkeit in meiner Generation ist vermutlich die Wurzel meiner theologischen<br />
Bemühungen; denn das Nachdenken über Gott führt mich <strong>im</strong>mer wieder in<br />
jene Aporie zurück.“ 7 „Auschwitz“ ist aber nicht nur ein lebensgeschichtliches und<br />
theologiegeschichtliches Datum, sondern zugleich ein eminent theologisches Datum.<br />
Moltmann sieht die <strong>Geschichte</strong> vor allem als eine <strong>Geschichte</strong> der Leiden und der<br />
Schuld. In dieser <strong>Geschichte</strong> weckt der kommende Gott Hoffnung, zugleich partizipiert<br />
er am Leiden dieser Welt. Diese Partizipation <strong>im</strong> Leiden wird am Kreuz sichtbar. „Der<br />
Zusammenhang der Leiden Christi mit den Leiden Israels <strong>im</strong> Rahmen der Weltleiden<br />
Gottes macht es nicht nur möglich, sondern auch notwendig, Golgatha und Auschwitz<br />
in einer Perspektive zu sehen.“ 8 Neben diesem geschichtlichen Datum mit expliziter<br />
theologischer Qualität spielen für Moltmann <strong>im</strong>mer auch die aktuellen Themen der Zeit<br />
eine Rolle für seine Theologie. Dabei nehmen die Friedensfrage und die ökologische<br />
Frage eine exponierte Stellung ein. Man kann deshalb sagen, daß Moltmann seine<br />
Theologie bewußt und explizit zeitgeschichtlich positioniert und insofern auch geschichtliche<br />
Theologie betreibt.<br />
5 Dazu gehören Trinität und Reich Gottes (1980), Gott in der Schöpfung (1985), Der Weg Jesu Christi<br />
(1989), Der Geist des Lebens (1991), Das Kommen Gottes (1995) und abschließend Erfahrungen<br />
theologischen Denkens (1999). In unserem Zusammenhang sind weiter die früheren Werke Theologie<br />
der Hoffnung (1964) und Der gekreuzigte Gott (1972) von Interesse.<br />
6 Vgl. Brauer, Theologie <strong>im</strong> Horizont der <strong>Geschichte</strong> 258, 300, sowie Thomas Freyer, Kontinuität und<br />
Unterbrechung, in ThG 38/1995, 179–199, hier 181.<br />
7 Jürgen Moltmann, In der <strong>Geschichte</strong> des dreieinigen Gottes, München 1991, 222.<br />
8 Jürgen Moltmann, Der Weg Jesu Christi. Christologie in messianischen D<strong>im</strong>ensionen, München<br />
170<br />
1989, 190.