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Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

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esitzt und daher letztlich nur Gott zukommt. Analoges zeigt sich auch be<strong>im</strong> Subjektbegriff.<br />

Die zirkuläre Struktur der Argumentation Pannenbergs beruht auf der mehrdeutigen und<br />

mehrd<strong>im</strong>ensionalen Kategorie des Ganzen, das bei Pannenberg notwendige Voraussetzung<br />

der Erkenntnismöglichkeit und des Seins ist. Das Ganze hat sowohl ontologische<br />

als auch erkenntnistheoretische Relevanz. Die Totalität Gottes, von der Pannenberg<br />

ausgeht und die sich aus einem Verständnis Gottes als der alles best<strong>im</strong>menden<br />

Wirklichkeit ergibt, bedingt eine Totalität der geschaffenen Welt. Durch den Prozeßcharakter<br />

des Lebens ist ihre Totalität aber in der Welt nicht einfach erkennbar. Denn die<br />

lineare Zeit, die <strong>Geschichte</strong> und der Prozeß des Werdens sind nach vorne offen. In ihrer<br />

Bedeutung und Wahrheit erkannt wird die <strong>Geschichte</strong> aber nur in ihrer Totalität. Das<br />

Ganze ist somit notwendige Bedingung der Erkenntnis von Wahrheit. Allein, es ist<br />

keine hinreichende Bedingung, da es vor dem Ende bzw. der Vollendung als Erkenntnisprinizip<br />

nicht zur Verfügung steht. Darum kommt als ergänzendes Erkenntnisprinizip<br />

die Figur der Antizipation ins Spiel. Die Totalität kann durch den Gedanken der Antizipation<br />

als in der Welt proleptisch erkennbar vorgestellt werden. Die Struktur dieser<br />

Theorie ist soweit verstehbar und plausibel, als sie sich als Theorie versteht. Wenn sie<br />

aber aus dem Bereich der Erkenntnistheorie in den Bereich der Ontologie übertragen<br />

wird, tauchen einige Probleme auf. 139 Das gravierendste ist die Best<strong>im</strong>mung des Verhältnisses<br />

von Ereignis und Struktur. Erkenntnistheoretisch dominiert das Ganze die<br />

Teile. Diese bekommen ihre Bedeutung erst vom Ganzen her. Das Ende der <strong>Geschichte</strong><br />

wird antizipiert <strong>im</strong> Ereignis von Kreuz und Auferstehung Jesu. Geschichtlich ist das<br />

antizipierende Ereignis dem Ende vorlaufend; erkenntnistheoretisch ist es gleichzeitig;<br />

ontologisch ist es nachgeordnet. Das Ende ist aufgrund der Totalität Gottes dem Ereignis<br />

der <strong>Geschichte</strong> vorgeordnet.<br />

Nun wird diese Gesamtstruktur aber aufgebrochen dadurch, daß sich Gott in diese <strong>Geschichte</strong><br />

einläßt, daß er seine Totalität aufgibt und Ereignis, d.h. geschichtlich wird.<br />

Dies hat nicht nur Auswirkungen auf der erkenntnistheoretischen Ebene, sondern auch<br />

auf der ontologischen. 140 Denn von einer Totalität Gottes kann, wenn man dieses Ereignis<br />

ernst n<strong>im</strong>mt, <strong>im</strong> strengen Sinn nicht mehr gesprochen werden. 141 Pannenberg deutet<br />

diese Konsequenzen in „Offenbarung als <strong>Geschichte</strong>“ zwar an, 142 aber zieht sie <strong>im</strong> Interesse<br />

der Totalität und Einheit sowohl der <strong>Geschichte</strong> als auch Gottes nicht aus.<br />

N<strong>im</strong>mt man jedoch die theologischen Einsichten, die sich aus der Inkarnation für den<br />

Gottesbegriff, das Offenbarungsverständnis und eine theologische Erkenntnistheorie<br />

ergeben, auf und berücksichtigt weiter Einsichten und Anfragen des kritischen Rationa-<br />

139 Albert, Die Wissenschaft und die Fehlbarkeit der Vernunft, 158ff kritisiert am Konzept Pannenbergs<br />

die folgenreiche Vermengung einer möglichen „Sinntotalität der Erkenntnis“ und die „Wirklichkeit<br />

als Sinntotalität“ (163, Anm. 179).<br />

140 Vgl. Ringleben, Gottes Sein, Handeln und Werden, bes. 465f.<br />

141 Es sei denn, man würde eine doketische Gotteslehre <strong>im</strong> doppelten Sinn entwerfen, so daß sich Gott<br />

zum Schein seiner Totalität entäußerte oder aber zum Schein Totalität als Attribut erfordere.<br />

142 Denn Selbstoffenbarung Gottes gibt es nur unter Voraussetzung einer vorläufigen Offenbarungsgeschichte<br />

(Offenbarung als <strong>Geschichte</strong> 97), so daß nicht nur das Ende der <strong>Geschichte</strong> offenbarende<br />

Funktion hat, sondern das Offenbarungsgeschehen überhaupt kann nicht von Gottes Wesen selbst<br />

getrennt werden (ebd. 97, 105). Darum gilt: „Das Wesen Gottes, obwohl von Ewigkeit zu Ewigkeit<br />

dasselbe, hat in der Zeit eine <strong>Geschichte</strong>“ (ebd. 97).<br />

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