Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau
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schwierig zu bewerkstelligen, da die Kriterien, nämlich Worte, Werk und Geschick<br />
Jesu, der Umstrittenheit historischer Aussagen unterliegen, also selbst hypothetischen<br />
Charakter haben. Wohl aber läßt sich diese Aussage bewähren. Kriterien der Bewährung<br />
sind dabei, daß Widerspruchsfreiheit gewährleistet sein muß und daß Kohärenz mit anderen<br />
theologischen Aussagen herstellbar ist. Anders gesagt, es müssen logische und<br />
integrative Auflagen erfüllt werden. 127<br />
Pannenberg gesteht durchaus die Strittigkeit Gottes als alles best<strong>im</strong>mender Wirklichkeit,<br />
also die Strittigkeit Gottes selbst, ebenso zu wie die Strittigkeit der Offenbarung Gottes<br />
in der <strong>Geschichte</strong>. 128 Entschieden werden kann über die Streitfrage aber nur am Ende<br />
der <strong>Geschichte</strong>, 129 wobei dieses Ende durch die Offenbarung in Jesus Christus bereits<br />
antizipiert ist. 130 Damit wird ein Ereignis in der <strong>Geschichte</strong> zum Kriterium für das<br />
Ganze der <strong>Geschichte</strong> gemacht. Dieses Verfahren ist in mehrfacher Hinsicht fragwürdig.<br />
Zum einen wird die historische Verifikation jenes Ereignisses zumindest prinzipiell vorausgesetzt.<br />
Aber auch historische Aussagen haben den Status von Hypothesen. Sie sind,<br />
darin ist Pannenberg wiederum recht zu geben, erst am Ende der <strong>Geschichte</strong> verifizierbar.<br />
Der Verweis auf eine mögliche eschatologische Verifikation ist aber selbst keine<br />
Verifikation. Pannenberg überlädt den Gedanken der Antizipation, indem er ihn mit begründendem<br />
Anspruch versieht. 131 Zum anderen ist die Verhältnisbest<strong>im</strong>mung von<br />
christlichem Glauben und historischer Erkenntnis bei Pannenberg von einer St<strong>im</strong>migkeit,<br />
die konstruiert erscheint und der Wirklichkeit des Glaubens, auch <strong>im</strong> Blick auf<br />
seine Grundlage, die Offenbarung Gottes, nicht gerecht wird, da diese Wirklichkeit <strong>im</strong>mer<br />
auch vom, nicht nur methodischen, Zweifel best<strong>im</strong>mt ist. Hier wäre stärker zu betonen,<br />
daß es bei geschichtstheologischen Aussagen <strong>im</strong>mer nicht nur um Hypothesen,<br />
nunft, Texte zur Religionsphilosophie, München 1979, 190). Pannenberg ist hier weniger vorsichtig,<br />
indem er die eschatologische Verifikation proleptisch in die <strong>Geschichte</strong> verlegt und sich damit das<br />
Problem der Verifikation von historischen Tatsachen einhandelt.<br />
127 Hans Albert, Die Wissenschaft und die Fehlbarkeit der Vernunft, Tübingen 1982, 163, zieht die<br />
Möglichkeit der Bewährung des christlichen Glaubens ohne Rekurs auf Sinnprojektionen <strong>im</strong> Rahmen<br />
einer Gesamtwirklichkeit als eines Sinnganzen entschieden in Zweifel. Es wird noch zu prüfen sein,<br />
ob sich der christliche Glaube auch ohne solche apriorische Voraussetzung bewähren läßt, bzw. sich<br />
zumindest Kriterien für eine Bewährung angeben lassen.<br />
128 Z.B. Systematische Theologie Bd. 3, 582, 625.<br />
129 „Die ganze christliche Lehre hängt hinsichtlich ihres Inhalts und ihrer Wahrheit an der Zukunft des<br />
Kommens Gottes selbst zur Vollendung seiner Herrschaft über seine Schöpfung“, so Pannenberg, Systematische<br />
Theologie Bd. 3, 573.<br />
130 Susi Hausammann, Theologie und <strong>Geschichte</strong>, in: ThZ 33/1977, 100–109, betont zwar ebenfalls die<br />
Menschwerdung Gottes in Jesus Christus als den tiefsten Grund für die Beziehung zwischen <strong>Geschichte</strong><br />
und Theologie (105), weist aber dann dezidiert darauf hin, daß der Sinn der <strong>Geschichte</strong> sich<br />
erst dem Glauben erschließt und eine christliche Geschichtsinterpretation ein „praktisches Ziel“,<br />
nämlich das „Ziel des Glaubens selbst“, verfolgt (107). Dabei ist allerdings des Glaubens eigene<br />
Sicht von <strong>Geschichte</strong>, seine Geschichtsinterpretation, bis zum Jüngsten Tag vom Unglauben angefochten<br />
und kann nie auf allgemeine Zust<strong>im</strong>mung rechnen (109).<br />
131 Wenn ich recht sehe, arbeitet L. Kugelmann u.a. auch heraus, daß der Begriff der Antizipation als<br />
Relationsbegriff nur dann begründende Kraft hat, wenn eine Voraussetzung gemacht wird, nämlich<br />
daß es „eine Beziehung zwischen dem Antizipierten und dem ‚wirklichen‘ Sachverhalt“ gibt (Kugelmann,<br />
Antizipation 15). Antizipation beschreibt keine „Realität“, sondern die Struktur einer Theorie.<br />
Damit kann der Begriff der Kohärenz einer Theorie dienen, sagt aber a priori noch nichts über deren<br />
Korrespondenz mit „Wirklichkeit“ aus. Mühlenberg, Gott in der <strong>Geschichte</strong>, weist darauf hin, daß es<br />
eine These Pannenbergs ist, daß „prinzipiell und <strong>im</strong>mer den historischen Phänomenen ihre Bedeutung<br />
innewohnt und die Bedeutung nicht nachträglich und von woandersher durch den interpretierenden<br />
Historiker herangetragen bzw. hineingelesen wird“ (247f). Mit dieser thetischen Voraussetzung<br />
steht und fällt die Leistungsfähigkeit der Denkfigur der Antizipation bei Pannenberg.<br />
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