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Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

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Perspektive Pannenbergs eine individualisierende und subjektivierende Engführung der<br />

<strong>Geschichte</strong> dar. Nach Pannenberg kann aber diese Einseitigkeit der Kerygmatheologie<br />

korrigiert werden. Nach Pannenbergs Verständnis hat Gerhard von Rad in seiner Theologie<br />

des Alten Testaments diese Korrektur <strong>im</strong>plizit vorgenommen, indem er den Glauben<br />

Israels grundsätzlich geschichtstheologisch fundiert sieht. 100 Bei von Rad gibt es<br />

keine exklusive Alternative von wirklicher und gedeuteter <strong>Geschichte</strong>, sondern der<br />

„Geschichtsprozeß (…) ist wesentlich Überlieferungsprozeß“ 101 . Der kerygmatische<br />

Charakter der Traditionsgeschichte besteht in der je neuen Aneignung der grundlegenden<br />

Heilsereignisse; diese Aneignung alttestamentlicher Traditionen vollzieht sich<br />

auch über das Alte Testament hinaus. Damit wäre Heilsgeschichte dogmatisch als<br />

Überlieferungsgeschichte zu verstehen. „Überlieferungsgeschichte ist eben als der tiefere<br />

Begriff von <strong>Geschichte</strong> überhaupt anzusehen.“ 102 Damit wird Heilsgeschichte von<br />

den konkreten geschichtlichen Daten und Ereignissen unterschieden. Sie wird nicht als<br />

lineare Abfolge von Ereignissen verstanden, sondern als sich jeweils neu vollziehende<br />

und zu vollziehende Interpretation der <strong>Geschichte</strong> und ihrer Deutungen. Zwar lehnt<br />

Pannenberg die Vorstellung einer quasi doppelten <strong>Geschichte</strong>, hier die Heilsgeschichte<br />

als „Übergeschichte“ und dort die Weltgeschichte mit den benennbaren Daten und Fakten,<br />

ab, doch werden historische Fakten und Ereignisse <strong>Geschichte</strong> erst vermittels ihrer<br />

Interpretation in der Überlieferungsgeschichte <strong>im</strong> tieferen Sinn des Wortes. Erst die<br />

Überlieferungsgeschichte erfüllt die Funktion der <strong>Geschichte</strong>, Identität und Sinn zu erschließen.<br />

Und es ist schließlich die frühe dialektische Theologie und der Ansatz Karl Barths, der<br />

die „<strong>Geschichte</strong> mit einer theologischen Qualität ausstattet, der sie resistent macht gegen<br />

den historisch-kritischen Zugriff“ 103 .<br />

Hier kritisiert Pannenberg zum einen die Vorordnung des Begriffs des Wortes Gottes<br />

vor den Offenbarungsbegriff. Dabei wäre dem Sachverhalt nicht Rechnung getragen,<br />

„daß ein Gott überhaupt nur dann als Gott gedacht wird, wenn er als sich offenbarender<br />

Gott gedacht ist“ 104 . Nach Pannenberg vermag ein Verständnis der Indirektheit der<br />

Selbstoffenbarung Gottes die verschiedenartigen Offenbarungserlebnisse, von denen die<br />

biblischen Schriften Zeugnis geben, zu integrieren. Diese Integration ist auch die systematische<br />

Funktion dieser These. 105 Das Offenbarungshandeln Gottes läßt sich weder<br />

allein durch das Wort Gottes begründen noch erkennen. Insofern widerspricht Pannenberg<br />

auf einer fundamentalen Ebene dem Wort-Gottes-Verständnis, wie es von Karl<br />

Barth und seinen Nachfolgern entfaltet worden ist. 106 Andererseits n<strong>im</strong>mt Pannenberg in<br />

100 Pannenberg, Kerygma und <strong>Geschichte</strong> (Grundfragen Bd. 1) 85.<br />

101 Pannenberg, Kerygma und <strong>Geschichte</strong> (Grundfragen Bd. 1) 86.<br />

102 Pannenberg, Kerygma und <strong>Geschichte</strong> (Grundfragen Bd. 1) 88.<br />

103 Fischer, Systematische Theologie 200. Dieser Vorwurf trifft nach Pannenberg auch Rudolf Bultmann,<br />

vgl. Pannenberg, Kerygma und <strong>Geschichte</strong> (Grundfragen Bd. 1) 80ff.<br />

104 Eberhard Jüngel, Gott als Gehe<strong>im</strong>nis der Welt. Zur Begründung der Theologie des Gekreuzigten <strong>im</strong><br />

Streit zwischen Theismus und Atheismus, Tübingen 1977, 211. Vgl. zu dieser Diskussion Pannenberg,<br />

Systematische Theologie Bd. 1, 257ff.<br />

105 Pannenberg, Systematische Theologie Bd. 1, 266.<br />

106 Vgl. die Kritik an Pannenbergs Programm bei Günter Klein, Theologie des Wortes Gottes und die<br />

Hypothese der Universalgeschichte, München 1964.<br />

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