Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau
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kommenden Gottesherrschaft ist die Explikation dieser Differenz zwischen dem Wort Gottes und dem<br />
Worte Jesu. Erst vom Ende dieser <strong>Geschichte</strong> her, <strong>im</strong> Ostergeschehen, wird erkennbar, daß durch Jesus<br />
Gott selbst geredet hat, nun aber in solcher Endgültigkeit, daß Wort Gottes fortan nur noch Bericht von<br />
dem durch Jesus Geschehenen sein kann. Das aber bedeutet, daß die menschliche Sprache <strong>im</strong> christlichen<br />
Glauben ihre mythische Mächtigkeit verliert. Sie verliert damit nicht ihre religiöse Tiefend<strong>im</strong>ension, wohl<br />
aber die unmittelbare, inspirierte Einheit mit der göttlichen Wahrheit. Wenn sogar die Botschaft Jesu als<br />
menschliches Reden nicht unmittelbar die Wahrheit Gottes in sich trug, sondern erst durch seine <strong>Geschichte</strong><br />
die Bestätigung ihrer göttlichen Vollmacht empfangen mußte, dann bleibt auch das christliche<br />
Reden von dem göttlichen Wort unterschieden, das sein Inhalt ist, aber seine Wahrheit nicht unmittelbar<br />
durch das Reden der Christen, sondern durch die Zukunft seines Reiches und durch dessen vorlaufende<br />
Zeichen bekundet.“<br />
Dies bedeutet, daß die Wahrheit der Sprache von der <strong>Geschichte</strong> beglaubigt wird, daß<br />
also die Last der Begründung nicht der Sprache, sondern der <strong>Geschichte</strong> aufgeladen<br />
wird. Die menschliche Sprache (und damit auch das Denken?) wird entlastet, man<br />
könnte auch sagen, entmächtigt zugunsten der <strong>Geschichte</strong> und ihrer Zukunft. Dies aber<br />
genau durch die eine <strong>Geschichte</strong> des Jesus von Nazareth, die uns nur durch Sprache und<br />
Rede zugänglich ist. Das Gewicht <strong>im</strong> Verhältnis von Sprache und <strong>Geschichte</strong> wird also<br />
deutlich zur <strong>Geschichte</strong> hin verschoben. Ob <strong>Geschichte</strong> damit nicht überlastet ist, wird<br />
in der kritischen Würdigung zu prüfen sein.<br />
2.8 Kritische Würdigung<br />
2.8.1 Theologiegeschichtlicher Hintergrund<br />
Pannenberg setzt sich mit seinem Ansatz von drei anderen geschichtstheologischen<br />
Konzepten ab. 94<br />
Das ist zum einen die heilsgeschichtliche Theologie. Der Begriff der Heilsgeschichte<br />
<strong>im</strong>pliziert nach Ott 95 mehrere Aspekte. Erstens rekurriert er darauf, daß Gott am Menschen<br />
handelt und dieses Handeln best<strong>im</strong>mt ist durch Heil und Gnade. Heil spricht dabei<br />
die kosmische D<strong>im</strong>ension, Gnade die personale D<strong>im</strong>ension an. Zweitens <strong>im</strong>pliziert der<br />
Begriff der Heilsgeschichte, daß es um eine <strong>Geschichte</strong> geht; damit ist zunächst ganz<br />
allgemein die raumzeitliche Verknüpfung von Ereignissen und Geschehnissen thematisiert.<br />
Näherhin geht es aber um eine <strong>Geschichte</strong>, die den Menschen grundlegend betrifft.<br />
<strong>Geschichte</strong> ist dabei zunächst als unspezifischer Ausdruck für den Erfahrungs- und Lebenszusammenhang<br />
der Menschen gebraucht, deren grundlegender Aspekt auf die Geschichtlichkeit<br />
des Menschen abhebt, d.h., daß der Mensch erst vermittels einer <strong>Geschichte</strong><br />
Identität findet und Welt versteht; in der Heilsgeschichte geht es um die Best<strong>im</strong>mung<br />
des Menschen und der Welt und darin ist sie grundlegend betreffend. Drittens<br />
94 Es „muß die Geschichtshaftigkeit des Heilsgeschehens heute in Auseinandersetzung mit der Existenztheologie,<br />
der heilsgeschichtlichen Theologie und mit den methodischen Grundsätzen der historisch-kritischen<br />
Forschung behauptet werden“, so Pannenberg, Heilsgeschehen und <strong>Geschichte</strong>, in:<br />
Grundfragen Bd. 1, 22f. Ich gehe hier zunächst auf die spezifisch theologischen Gesprächspartner<br />
Pannenbergs ein. Vgl. auch Hermann Fischer, Systematische Theologie, Stuttgart 1992, 200. Siehe<br />
auch K<strong>im</strong>, Offenbarung Gottes 481f.<br />
95 Vgl. Heinrich Ott, Art. Heilsgeschichte, RGG 3 Bd. 3, 187–189.<br />
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