Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau
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ildungskraft, die inspirativen Charakter haben. 89 Da aber schöpferische Tätigkeit auch<br />
willentliche Tätigkeit ist, stellt sich das Problem, wie man den inspirativen Charakter<br />
mit dem produktiven Charakter zusammendenken kann. Hier spielt nach Pannenberg die<br />
Aufmerksamkeit eine entscheidende Rolle, die strukturell den gleichen Status einn<strong>im</strong>mt<br />
wie die ganzheitliche Stellungnahme be<strong>im</strong> Handeln (369). Vermittels der Aufmerksamkeit<br />
wird das Moment der Eingebung mit der schöpferischen Tätigkeit verbunden. Sie<br />
ist sozusagen die Tür, durch die die Ganzheit in das Sprechen eintreten kann. Für Pannenberg<br />
sind die Eingebungen der Phantasie, die durch die Aufmerksamkeit produktiv<br />
werden, auch als Gottes Ansprache an den Menschen zu verstehen, „wenn dieser reinen<br />
Herzens auf das Ganze seiner Lebenswelt und auf Gott als auf ihren Grund und ihr Ziel<br />
hin geöffnet ist“ (370). Allerdings kann auch das „Leben der Phantasie“ (370) durch<br />
eine fehlgeleitete Aufmerksamkeit korrumpiert werden, d.h. dann, wenn die Aufmerksamkeit<br />
„sich auf den Gegenstand seiner selbstsüchtigen Begierden verengt oder gar in<br />
den Strudel von Neid und Haß gezogen wird“. Dann begegnet der Menschen „in den<br />
Bildern seiner Phantasie nicht mehr der St<strong>im</strong>me Gottes, sondern den Einflüsterungen<br />
des Teufels“ (370).<br />
Pannenberg möchte über Bultmann hinaus die mythische Struktur der Vorstellung vom<br />
Wort Gottes überwinden und vermutet, daß sich in den biblischen Auffassungen vom<br />
Wort Gottes drei Ansätze entdecken lassen. Zum einen ist das die Unterscheidung von<br />
göttlichem Wort und menschlicher Formulierung, zum zweiten der Zukunftsbezug des<br />
Wortes Gottes und drittens das Verständnis des Wortes Gottes als intelligible Ordnung<br />
der Welt, so daß in Verbindung mit der Vorstellung der göttlichen Weisheit der göttliche<br />
Logos an die Stelle des Mythos tritt (374).<br />
Pannenberg kritisiert nun, daß dies von der Inanspruchnahme der Sprechakttheorie nicht<br />
geleistet wird. Denn ein Verständnis des Evangeliums als performative Sprachhandlung<br />
kann nicht mehr zwischen Vollzug und Sache unterscheiden; damit aber setzt sich der<br />
Zuspruch des Evangeliums dem Vorwurf aus, eine anthropomorphe Projektion des<br />
sprachhandelnden Menschen zu sein (376). Eine analoge Kritik übt Pannenberg an<br />
einem Verständnis des Wortes Gott als synkategorematischer Ausdruck, 90 der letztlich<br />
darauf hinausliefe, Worte auf einen „leeren Horizont“ zu übertragen (377). Prinzipiell<br />
bemängelt Pannenberg, daß die Theologie „sich nicht einfach diesem oder jenem säkular<br />
konzipierten Methodenkonzept anschließen [kann], ohne daß dadurch ihr Thema<br />
präjudiziert würde. Darum muß das säkulare Methodenverständnis auf die darin zumeist<br />
ausgeblendete religiöse D<strong>im</strong>ension des betreffenden Phänomenbereichs reflektiert und<br />
<strong>im</strong> Lichte solcher Reflexion kritisch revidiert werden.“ 91 Die Besonderheit religiöser<br />
Sprache best<strong>im</strong>mt Pannenberg <strong>im</strong> Anschluß und Kritik an Ebeling derart, daß a) der<br />
Mensch „in seiner Sprachlichkeit seiner selbst nicht mächtig“ ist und b) das Wort Gottes<br />
89<br />
Pannenberg, Anthropologie 366, erinnert hier noch einmal an Hamanns Gedanken vom göttlichen<br />
Ursprung der Sprache.<br />
90<br />
Dazu und zu weiteren Theorien der Rede von Gott vgl. Joach<strong>im</strong> Track, Sprachkritische Untersuchungen<br />
zum christlichen Reden von Gott, Göttingen 1977, bes. 175ff.<br />
91<br />
Pannenberg, Anthropologie 379. So zutreffend die Ablehnung einer unkritischen Übernahme philosophischer<br />
Konzepte ist, so problematisch erscheint aber die angedeutete Alternative, daß eine theologisch<br />
gewendete Theorie per se zutreffender, will sagen: vernünftiger sei. Jegliche Theorie, sei sie<br />
„säkular“ oder theologisch konzipiert, behält den Status einer Hypothese, die auf Bewährung angewiesen<br />
ist.<br />
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