Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau
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Ganzheit des Lebens nicht konstituieren. 70 „Die positiven Möglichkeiten des Handelns<br />
liegen <strong>im</strong>mer nur <strong>im</strong> einzelnen und besonderen innerhalb eines anderweitig gewährleisteten<br />
Lebensganzen.“ 71 Damit ist Handeln des Menschen innerhalb der <strong>Geschichte</strong><br />
möglich, das Ganze der <strong>Geschichte</strong> aber ist außerhalb der Handlungsmöglichkeiten des<br />
Menschen, weil ihm der notwendige „Überblick“ fehlt. Daher ist nun nach dem Handeln<br />
Gottes zu fragen.<br />
In seiner Systematischen Theologie führt Pannenberg den Begriff des Handelns bei der<br />
Thematisierung von Gottes Wesen und Eigenschaften ein. 72 Die Eigenart des Wesens<br />
Gottes ist in seinem Namen konzentriert; dabei ist der biblische Gottesname keine Formel<br />
für das Wesen der Gottheit, sondern „Einweisung in die Erfahrung ihres Wirkens<br />
(Ex 3,14)“ (389). Der Begriff des Handelns soll dazu dienen, die Rede von den Eigenschaften<br />
Gottes präziser fassen zu können. Notwendig ist dazu der Rekurs auf die<br />
Zweckbeziehung des Handelns, weil sich in der Zweckbeziehung Eigenschaften ausdrücken,<br />
die dem Handelnden zuzurechnen sind (399). Mit der Wahl eines Zweckes<br />
identifiziert sich der Wählende mit diesem Zweck. „Vorausgesetzt ist dabei, daß die<br />
Identität des Wählenden selber noch unabgeschlossen, auf Zukunft bezogen und durch<br />
den Vorgriff auf Zukunft – also auf ‚Zwecke‘ – konstituiert ist“ (399). Der Rückschluß<br />
von der Wirkung auf die Ursache, d.h. hier vom Handeln auf die Eigenschaften, ist bei<br />
kontingentem Handeln bzw. kontingenten Ursachen, wie dem Schöpfungshandeln Gottes,<br />
jedoch problematisch. Auch <strong>im</strong> Falle personhaften Handelns könnte der Zweck<br />
nicht unbedingt charakteristisch sein. H. Cremer 73 , den Pannenberg hier referiert und<br />
diskutiert, schlägt darum vor, die Liebe Gottes, die in Jesus Christus offenbar wurde, als<br />
Grund dafür zu nehmen, durch Gottes Handeln Eigenschaften seines Wesens zu erkennen<br />
(400). Aber auch dieses baut auf die anthropomorphe Vorstellung des göttlichen<br />
Wesens als einem, das Intellekt und Willen besitzt und Vorstellungen seines Intellekts<br />
zu Zwecken seines Handelns macht, wie dies auch von menschlichen Personen gilt.<br />
Unter der Überschrift „Gottes Geistigkeit, sein Wissen und Wollen“ diskutiert Pannenberg<br />
die Personalität Gottes. Er kommt dabei zu dem Schluß, daß „das lebendige Wesen<br />
Gottes als Geist eher die Art eines Kraftfeldes hat als die eines Subjektes“ (416) und<br />
daher die Rede vom Handeln Gottes erst noch zu rechtfertigen wäre. Da der Begriff des<br />
Handelns ein handelndes Subjekt erfordert, sind aufgrund seiner Erörterungen, <strong>im</strong> Anschluß<br />
an die Tradition, die trinitarischen Personen als unmittelbare Subjekte göttlichen<br />
Handelns zu benennen (416). Die Gemeinsamkeit des Handelns der trinitarischen Personen<br />
nach außen kann dabei die Wesenseinheit weder begründen noch ersetzen. „Es<br />
kann sich aber in der Gemeinsamkeit des Handelns von Vater, Sohn und Heiligem Geist<br />
die Lebens- und Wesenseinheit manifestieren, durch die die drei Personen <strong>im</strong>mer schon<br />
verbunden sind“ (417). Das Interesse Pannenbergs ist es dabei, die Einheit der Gottheit<br />
und ihrer Eigenschaften über den Begriff des Handelns zu begründen. Gelingt dies, dann<br />
wird die These von der Offenbarung Gottes in der <strong>Geschichte</strong>, also in den Wirkungen<br />
70 Pannenberg verweist hier (356) auf die kritische Relevanz der paulinischen und reformatorischen<br />
Rechtfertigungslehre, die darauf hinweist, daß der Versuch, die Ganzheit des Lebens durch das<br />
eigene Handeln konstituieren zu wollen, vermessen ist und zur Zerstörung der Ganzheit des Lebens<br />
in den einzelnen Lebensbereichen führt.<br />
71 Pannenberg, Anthropologie 356.<br />
72 Pannenberg, Systematische Theologie Bd. 1, 389 ff; die Seitenangaben <strong>im</strong> Text beziehen sich darauf.<br />
73 Hermann Cremer, Die christliche Lehre von den Eigenschaften Gottes, Gütersloh 1897.<br />
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