Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau
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zur Ewigkeit Gottes vernachlässigt. Das Spezifikum der Unvergänglichkeit und der<br />
Zeitlosigkeit der Ewigkeit findet seine Entsprechung <strong>im</strong> Platonismus. Dabei stehen aber<br />
die Zeit der Welt und die Ewigkeit Gottes unverbunden nebeneinander.<br />
Demgegenüber geht Plotin einen Schritt weiter, „indem er den Begriff der Ewigkeit als<br />
Gegenwart der Ganzheit des Lebens best<strong>im</strong>mte“ 51 . Worauf es hierbei ankommt, ist der<br />
Aspekt der Ganzheit, der in einer nur linearen, prozessualen Zeitvorstellung nicht einbezogen<br />
werden kann. Weiterhin ist diese Ganzheit konstitutive Voraussetzung für die<br />
Möglichkeit der Inbeziehungsetzung der getrennten Zeitmomente unserer Zeiterfahrung.<br />
Das Verhältnis zur Ganzheit des Lebens ist allerdings in der Zeit ein anderes als in der<br />
Ewigkeit. In der Ewigkeit ist es das „Vollendet-Unendliche <strong>im</strong> Ganzen“, in der Zeit<br />
„das Immer-<strong>im</strong>-Nacheinander ins Unendliche“. 52 Mit diesem Rekurs auf Plotin gelingt<br />
es Pannenberg, Zeit und Ewigkeit nicht als absoluten Gegensatz, sondern als Begründungsverhältnis<br />
zu rekonstruieren. 53 Auch in diesem Zusammenhang taucht der Gedanke<br />
der Prolepse wieder auf, wenn Pannenberg schreibt: „Mit der eschatologischen<br />
Zukunft tritt Gottes Ewigkeit in die Zeit ein, und von dort her ist sie allem Zeitlichen,<br />
das dieser Zukunft vorhergeht, schöpferisch gegenwärtig. (…) Auf dem Weg ihrer <strong>Geschichte</strong><br />
in der Zeit existieren die Dinge und Menschen nur durch Antizipation dessen,<br />
was sie <strong>im</strong> Lichte ihrer letzten Zukunft, des Advents Gottes, sein werden. Auch Gottes<br />
Offenbarung in der <strong>Geschichte</strong> hat die Form einer Antizipation der definitiven Manifestation<br />
seiner ewigen und allmächtigen Gottheit <strong>im</strong> Ereignis der Vollendung aller Zeit<br />
und <strong>Geschichte</strong>.“ 54<br />
Nach Pannenberg ist die Zeit der <strong>Geschichte</strong> somit in einer doppelten Weise in der Zeit<br />
Gottes begründet. Zum einen <strong>im</strong> Akt der Schöpfung 55 selbst, zum anderen in der Zukunft,<br />
dem Advent Gottes, die schöpferisch und antizipatorisch in der Zeit wirksam ist.<br />
Die Verbindung der Linearität und damit der Geschichtlichkeit der Zeit mit der Ewigkeit<br />
Gottes läßt sich nach Pannenberg aus dem Gottesbegriff entwickeln. In der Trinitätslehre<br />
wird Gott verstanden als in sich differenzierte Einheit, die nach Barth auch „ein<br />
Vorher und Nachher“ einschließe. 56 Dieses Vorher und Nachher läßt sich zwar nur aus<br />
der ökonomischen Trinität erkennen, aber aufgrund der Einsicht in die Identität von<br />
ökonomischer und <strong>im</strong>manenter Trinität ist dieses Vorher und Nachher auch auf die<br />
Wirklichkeit Gottes selbst zu übertragen. Die Lehre von der <strong>im</strong>manenten Trinität begründet<br />
nämlich die Vorstellung einer Vielheit in der Lebensganzheit des einen Gottes,<br />
die ihm gegenwärtig ist. Und die Lehre vom heilsökonomischen Wirken der trinitarischen<br />
Personen begründet das Dasein einer Vielheit von Geschöpfen und ihre Einbe-<br />
51<br />
Pannenberg, Systematische Theologie Bd. 1, 436.<br />
52<br />
Plotin, Enn. III,7,11, zit. nach Pannenberg, Systematische Theologie Bd. 1, 436.<br />
53<br />
Allerdings läßt sich die Zeit nicht aus einem Begriff der Ewigkeit ableiten, weil jeder Versuch, einen<br />
Ursprung der Zeit sich vorzustellen, <strong>im</strong>mer schon Zeit voraussetzen muß. Plotin hat daher den Übergang<br />
von der Ewigkeit zur Zeit als Sprung aufgefaßt und diesen als „Fall“ beschrieben; vgl. Pannenberg,<br />
Systematische Theologie Bd. 2, 116.<br />
54<br />
Pannenberg, Systematische Theologie Bd. 3, 573.<br />
55<br />
Zur Konstitution von Raum und Zeit in der Schöpfung vgl. Pannenberg, Systematische Theologie<br />
Bd. 2, 105ff.<br />
56<br />
Karl Barth, KD II/2, 639f; Pannenberg, Systematische Theologie Bd. 1, 438. Pannenberg weist darauf<br />
hin, daß die Revision der traditionellen Entgegensetzung von Zeit und Ewigkeit von Karl Barth<br />
besonders energisch betrieben worden ist, aber z.B. auch von Paul Tillich, der allerdings die trinitätstheologische<br />
Begründung vernachlässigt; a.a.O. 440.<br />
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