Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau
Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau
Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Bereich der Wirklichkeit, sondern die gesamte Schöpfung ist in die <strong>Geschichte</strong> hineingezogen.<br />
„<strong>Geschichte</strong> ist die Wirklichkeit in ihrer Totalität.“ 9<br />
2.2.1.2 Verheißung, Erfüllung und Überlieferung<br />
Der Zusammenhang zwischen Altem und Neuem Testament ist nach Pannenberg nur<br />
durch die Klammer von Verheißung und Erfüllung verständlich. „Jesus ist die Offenbarung<br />
Gottes nur <strong>im</strong> Lichte der Verheißungen des Alten Testamentes.“ 10 Möglich ist<br />
dies durch die verbindende Gottesgeschichte.<br />
Nun sind von verschiedener Seite Einwände gegen das Schema Verheißung – Erfüllung<br />
vorgebracht worden. 11 Selten nur entsprechen sich Verheißung und Erfüllung vollständig.<br />
12 Die biblisch-theologische Diskussion um dieses Schema sowie die <strong>im</strong>plizierten<br />
systematischen Schwierigkeiten führten dazu, daß Pannenberg später weniger<br />
darauf rekurrierte und mehr auf den Gedanken der Überlieferungsgeschichte. 13 Dieser<br />
Gedanke der Überlieferungsgeschichte erlaubt es, konkrete <strong>Geschichte</strong> und Wort Gottes,<br />
geschichtliches Ereignis und Interpretation, Faktum und Bedeutung zusammenzudenken<br />
und in einen umfassenden Horizont zu stellen. 14 Pannenberg n<strong>im</strong>mt damit die Erkenntnis<br />
auf, daß <strong>Geschichte</strong> selbst geschichtlich ist. Im Blick auf das Verhältnis von Faktum<br />
und Interpretation meint Pannenberg nun nicht, daß Sinn und Bedeutung eines Faktums<br />
diesem nur durch nachträgliche Interpretation zukommen, sondern daß „ein geschichtliches<br />
Ereignis nur dann für uns heute noch Sinn haben kann, wenn ihm dieser Sinn<br />
selbst innewohnt und nicht einfach von außen hinzugefügt wird“. Es bedarf also keiner<br />
9 Pannenberg, Heilsgeschehen (Grundfragen Bd. 1) 27.<br />
10 Pannenberg, Heilsgeschehen (Grundfragen Bd. 1) 30.<br />
11 Vgl. Karlheinz Müller, Art. Apokalyptik / Apokaplypsen III, TRE 3, 202–251. Müller kritisiert v.a.<br />
die Verwendung eines undifferenzierten Apokalyptikbegriffs zur Begründung eines universalgeschichtlichen<br />
Zusammenhangs (232ff, bes. 233 u. 243).<br />
12 Pannenberg selbst gesteht ein, daß „die biblischen ‚Erfüllungen‘ nicht so fugenlos zu den Verheißungen<br />
passen, wie es die biblische Geschichtsdogmatik will“, in: Grundfragen Bd. 1, 9.<br />
13 „Überlieferungsgeschichte“ wird in der Theologie äquivok verwendet. Pannenberg verwendet ihn als<br />
systematischen Begriff, zu unterscheiden von einem methodischen Begriff. Im methodischen Sinn<br />
meint Überlieferungsgeschichte einen methodischen Schritt innerhalb der Formgeschichte, bei dem<br />
von der Endgestalt eines Textes auf die (mündlich) tradierten Vorformen zurückgefragt wird. In der<br />
systematischen Verwendung bei Pannenberg meint der Begriff dagegen nicht die regressive Rückfrage,<br />
sondern fragt von den so „ermittelten Ausgangspunkten in eine offene Zukunft“ (Wolfhart Pannenberg,<br />
Stellungnahme zur Diskussion, in: James M. Robinson / John B. Cobb Jr., Theologie als<br />
<strong>Geschichte</strong>, Zürich 1967, 285–351, hier 327, Anm. 34), geht also progressiv vor: „Die Überlieferungsgeschichte<br />
ist die <strong>Geschichte</strong> der allmählichen Entdeckung des Sinns jener <strong>Geschichte</strong>, die<br />
<strong>im</strong>mer und wesenhaft auf die Zukunft hin geöffnet bleibt: der Ausgangspunkt des Denkens ist<br />
demnach nicht das Ende, sondern der Ursprung und seine Entfaltung“, so Ignace Berten, <strong>Geschichte</strong><br />
– Offenbarung – Glaube. Eine Einführung in die Theologie Wolfhart Pannenbergs, München 1970,<br />
26 (Anm. 10). Vgl. auch Kurt Koch, Der Gott der <strong>Geschichte</strong>. Theologie der <strong>Geschichte</strong> bei Wolfhart<br />
Pannenberg als Paradigma einer Philosophischen Theologie in ökumenischer Perspektive, Mainz<br />
1988, 78ff sowie Markus Brauer, Theologie <strong>im</strong> Horizont der <strong>Geschichte</strong>. Fortgang und Schwerpunkte<br />
geschichtstheologischen Denkens in der Theologie des 20. Jahrhunderts und weiterführende<br />
Perspektiven einer geschichtstheologischen Systematik, Frankfurt/M. 1994, 227ff; dort 228 Anm.<br />
126 weitere Literatur zu Pannenbergs Konzept der Überlieferungsgeschichte. Siehe auch Peter<br />
Henke, Gewißheit vor dem Nichts. Eine Antithese zu den theologischen Entwürfen Wolfhart<br />
Pannenbergs und Jürgen Moltmanns, Berlin 1978, 111ff.<br />
14 Vgl. Koch, Gott 79f und Peter Eicher, <strong>Geschichte</strong> und Wort Gottes, in: Cath (M) 32/1978, 321–354,<br />
hier 352.<br />
141