Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau
Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau
Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Erfüllung, später unter dem Titel Überlieferungsgeschichte verhandelt wird. Beide Modelle,<br />
das wird bei Pannenberg nicht <strong>im</strong>mer deutlich, sind dabei Interpretationen von<br />
Ereignissen, Erfahrungen und Texten, und nicht der <strong>Geschichte</strong> inhärente Sturkturprinzipien.<br />
Indem Pannenberg den interpretativen Charakter von Verheißung, Erfüllung und<br />
Überlieferungsgeschichte nicht hinreichend thematisiert, 4 werden seine Erwägungen zur<br />
Ganzheit der <strong>Geschichte</strong> und zur Offenbarungsgeschichte Gottes hinsichtlich ihrer erkenntnistheoretischen<br />
und ontologischen Aspekte verunklart.<br />
2.2.1.1 Gott und <strong>Geschichte</strong><br />
Die Best<strong>im</strong>mung Gottes als alles best<strong>im</strong>mender Wirklichkeit verdankt sich der biblisch<br />
überlieferten Offenbarung Gottes in der <strong>Geschichte</strong> seiner Taten. Nach Pannenberg entsteht<br />
geschichtliches Bewußtsein <strong>im</strong> Zusammenhang mit dem Gottesgedanken Israels. 5<br />
Dieser ist dadurch gekennzeichnet und unterschieden von anderen Gottesgedanken und<br />
-vorstellungen, die sich in der <strong>Geschichte</strong> und den Religionen finden, daß die Wirksamkeit<br />
Gottes sich nicht auf die Konstituierung von Welt und <strong>Geschichte</strong> beschränkt, sondern<br />
in einer unvorhersehbaren Weise in den Gang seiner Schöpfung eingreifen und<br />
Neues in ihr wirken kann. „Die Gewißheit, daß Gott <strong>im</strong>mer wieder Neues wirkt, daß er<br />
ein ‚lebendiger Gott‘ ist, bildet die Grundlage für Israels Verständnis der Wirklichkeit<br />
als linear zu einem Ziele hineilender <strong>Geschichte</strong>.“ 6 Dieses Wirken Gottes evoziert <strong>Geschichte</strong><br />
dadurch, „daß Gott Verheißungen ergehen läßt und diese Verheißungen erfüllt.<br />
<strong>Geschichte</strong> ist das zwischen Verheißung und Erfüllung hineingespannte Geschehen, indem<br />
es durch die Verheißung eine unumkehrbare Zielrichtung auf künftige Erfüllung<br />
hin erhält.“ 7 Dieses Schema wird schließlich nicht mehr nur innerweltlich verstanden,<br />
sondern auf das Ganze der Welt bezogen. Erfüllung wird in der Apokalyptik nicht mehr<br />
als innerweltliches, also überholbares Ziel erwartet, sondern als Ende der ganzen Weltgeschichte.<br />
Das Ende der <strong>Geschichte</strong> ist von daher „als das zu ihr gehörige Ziel der Erfüllung<br />
zu verstehen“ 8 . Von daher ist für Israel die <strong>Geschichte</strong> nicht nur ein besonderer<br />
4 Ekkehard Mühlenberg, Gott in der <strong>Geschichte</strong>, in: KuD 24/1978, 244–261, weist darauf hin, daß in<br />
einer Überlieferungsgeschichte nur das „Daß“ eines Rückbezugs, nicht aber das „Wie“ thematisiert<br />
wird und daß die inhaltliche Füllung eines Rückbezugs Deutung der eigenen Wirklichkeitserfahrung<br />
ist. Von daher ist es problematisch, „das historische Geschick Jesu zur Norm zu machen“ (252).<br />
5 Gesprächsweise hat Joach<strong>im</strong> Track mich darauf hingewiesen, daß sich Pannenbergs Argumentationsfigur<br />
in dieser Sache verändert hat. Hat er in seinen früheren Schriften (Offenbarung als <strong>Geschichte</strong><br />
und verschiedene Aufsätze in den Grundfragen) zweistufig argumentiert, so später (vor allem in der<br />
„Systematischen Theologie“) dreistufig. Der zweistufige Argumentationsgang setzte bei der Denknotwendigkeit<br />
Gottes ein und füllte den Gottesbegriff mit der israelitischen Gottesvorstellung. Der<br />
dreistufige Argumentationsgang setzte bei der Unentbehrlichkeit des Gottesgedankens an; dieser<br />
Gottesgedanke wird als Begriff in den Religionen greifbar und seine inhaltliche Präzisierung als alles<br />
best<strong>im</strong>mender Wirklichkeit verdankt sich der israelitischen Glaubenserfahrung.<br />
6 Pannenberg, Heilsgeschehen (Grundfragen Bd. 1) 24f.<br />
7 Pannenberg, Heilsgeschehen (Grundfragen Bd. 1) 25f. Pannenberg nennt als Belege die Thronnachfolgeerzählungen,<br />
das jahwistische Geschichtswerk, das deuteronomistische Geschichtswerk, das<br />
chronistische Geschichtswerk sowie die jüdische Apokalyptik. Dabei vollzieht sich eine beständige<br />
Ausweitung des Geschichtsbildes. Zur Bedeutung der Kategorie der Verheißung für die Eschatologie<br />
vgl. Pannenberg, Systematischen Theologie Bd. 3, Göttingen 1993, 580ff.<br />
8 Pannenberg, Heilsgeschehen 28; gegen Bultmann, der das Ende der <strong>Geschichte</strong> nicht als Ziel der<br />
<strong>Geschichte</strong> versteht, sondern meint, die Apokalyptik habe eine Entgeschichtlichung der <strong>Geschichte</strong><br />
verursacht. Vgl. R. Bultmann, <strong>Geschichte</strong> und Eschatologie, Tübingen 1958, 27ff.<br />
140