02.12.2012 Aufrufe

Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

2.2.3.3 Moratorium unter pragmatischem Aspekt<br />

Wird gegenwärtige <strong>Geschichte</strong> als Moratorium oder Frist verstanden, so ergibt sich daraus<br />

die Nötigung, diese Frist zu nutzen, um die Zukunft zu retten. Strittig ist dabei die<br />

Art und Weise, in der Rettung der Zukunft möglich sei. Hier lassen sich drei Positionen<br />

unterscheiden. Die eine versucht alles nur mögliche, was Wissenschaft und Technik<br />

bieten, um dem Ende der <strong>Geschichte</strong> zu entkommen. Sie wird dabei oft geleitet von den<br />

traditionellen Handlungsmustern in Politik, Gesellschaft, Ökologie und Ökonomie und<br />

gibt häufig vor, des Erfolges ihres Handelns gewiß zu sein. Die gegensätzliche Position<br />

behauptet, daß gerade dieses Handeln das Ende der <strong>Geschichte</strong> befördert und also von<br />

jedem Handeln des Menschen Abstand zu nehmen ist. Dazwischen befindet sich die<br />

dritte Position, die zwar ebenfalls die Notwendigkeit des Wahrnehmens betont, hinsichtlich<br />

der Art und Weise sowie des Erfolges aber kritisch bleibt.<br />

2.3 Schlußfolgerungen<br />

Die Rede vom „Ende der <strong>Geschichte</strong>“ gründet auf einem Verständnis von <strong>Geschichte</strong>,<br />

das diese als Produkt von erkennbaren und beeinflußbaren Prozessen und Abläufen betrachtet.<br />

Über den weiteren Verlauf können dann Prognosen gemacht werden. Das Ende<br />

der <strong>Geschichte</strong> wird dabei als noch ausstehend oder als bereits statthabend gesehen. In<br />

den extremen Varianten – Ende als Abbruch oder als Vollendung – stellt sich dabei allerdings<br />

ein performativer Widerspruch ein. Denn die Gegenwart wird <strong>im</strong> Lauf der Zeit<br />

zur Vergangenheit und die geschichtliche chronologische Zeit läuft weiter. Das Ende der<br />

<strong>Geschichte</strong> ist damit jedenfalls nicht das Ende aller Möglichkeiten. Die Vorstellung der<br />

in einer Katastrophe oder einem Heilszustand beendeten <strong>Geschichte</strong> ist weiter <strong>im</strong>mer<br />

eine perspektivische. Aus anderer Sicht muß sich dieses Urteil über das Ende nicht einstellen.<br />

Sinnvoll erscheint die Rede vom Ende der <strong>Geschichte</strong> daher nur, wenn dieses als vorläufiges<br />

Ende von best<strong>im</strong>mten Prozessen innerhalb der <strong>Geschichte</strong> gedacht wird, wenn<br />

sich diese Rede also auf beschränkte Aspekte der <strong>Geschichte</strong> bezieht und mit einbezieht,<br />

daß andere Aspekte noch in Bewegung sind. Die Vorstellung von der Frist oder dem<br />

Moratorium, das <strong>Geschichte</strong> gewährt, n<strong>im</strong>mt das auf. Streng genommen aber ist eine<br />

gewährte Frist kein Ende.<br />

3 „Ende“ der <strong>Geschichte</strong>?<br />

Die Rede vom „Ende der <strong>Geschichte</strong>“ ist eine universalistische und gewissermaßen totalitäre<br />

Rede. Sie bezieht sich einerseits auf eine <strong>Geschichte</strong>, die durch die Möglichkeiten<br />

der Menschen gestaltet wird, sei es in Ideen oder technisch-ökonomischen Vollzügen.<br />

Sie vernachlässigt, daß <strong>Geschichte</strong> aus <strong>Geschichte</strong>n besteht, daß es also bei <strong>Geschichte</strong><br />

nicht nur um Totalität geht, sondern auch um Partikularität und <strong>Fragment</strong>.<br />

N<strong>im</strong>mt man aber ein derart differenziertes Verständnis von <strong>Geschichte</strong> auf, dann<br />

schreibt sich das „Ende der <strong>Geschichte</strong>“ als Text selbst in die <strong>Geschichte</strong> ein und ist<br />

134

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!