02.12.2012 Aufrufe

Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

hen. Das daraus sich ergebende Verständnis von <strong>Geschichte</strong> war das der Frist oder des<br />

Moratoriums.<br />

2.2.2.3 Moratorium unter erkenntnistheoretischem Aspekt<br />

Die Signatur der geschichtlichen Zeit als Zeit des Moratoriums ergab sich aus drei Einsichten.<br />

Das war zum einen die Einsicht, das jedes Erkennen selbst geschichtlich und<br />

damit partikular ist. Zum anderen war es die Erkenntnis der Moderne über sich selbst,<br />

die nach sich selbst nur das Schl<strong>im</strong>mste kommen sieht und zugleich erkennt, daß „das<br />

Schl<strong>im</strong>mste präzise auf ihrem eigenen Kurs“ 24 liegt, zum anderen die oben erwähnten<br />

katastrophischen Perspektiven der <strong>Geschichte</strong>. Die Konsequenzen daraus zog W. Benjamin,<br />

indem er von einer „schwachen messianischen Kraft“ spricht. 25 In der Regel wird<br />

das Konzept der Frist allerdings weniger erkenntnistheoretisch ausgearbeitet und eher<br />

pragmatisch gewendet.<br />

2.2.3 Pragmatische Aspekte<br />

2.2.3.1 Vollendung unter pragmatischem Aspekt<br />

Das Ende der <strong>Geschichte</strong> kann unter zweierlei Aspekten gesehen werden. Zum einen<br />

kann sich die Vollendung der <strong>Geschichte</strong> sozusagen von alleine ergeben, weil in der<br />

<strong>Geschichte</strong> a priori wirksame Mächte sie zur Vollendung drängen. Zum anderen kann<br />

für die Vertreter dieses Konzeptes die Nötigung auftreten, die Vollendung zu befördern.<br />

Die Art und Weise dieser Beförderung kann sehr differieren, bis hin zur gewaltsamen<br />

Durchsetzung. Die Rede von einer „neuen Weltordnung“ ist der politische Ausdruck<br />

dieses pragmatischen Aspektes der Vollendung der <strong>Geschichte</strong>. 26 Dabei ist allerdings<br />

über die inhaltliche Füllung dieser Vollendung noch nichts ausgesagt, d.h. es ist noch<br />

nicht entschieden, ob die Vollendung in einer Universalgeschichte oder eine Multiversalgeschichte<br />

bestehen wird.<br />

2.2.3.2 Abbruch unter pragmatischem Aspekt<br />

Der phänomenologische Befund ist auch hier ein doppelter. Abbruch und Ausstieg aus<br />

der <strong>Geschichte</strong> zeigt sich auf zweifache Weise. Beide sind geprägt von der Haltung der<br />

Beliebigkeit, des anything goes. Auf der einen Seite steht das Streben nach größtmöglichem<br />

Lustgewinn, eine Haltung, die sich unter pragmatischem und philosophischem<br />

Blickwinkel den Epikuräern und Utilitaristen zuordnen läßt. Auf der anderen Seite gibt<br />

es eine regressive Reaktion, die sich <strong>im</strong> Rückzug aus der Welt, in der Hinwendung zu<br />

Innerlichkeit, seelischem Glück usw. äußert. Hierzu gehören m.E. auch manche Erscheinungsformen<br />

des New Age.<br />

24 Sloterdijk, Nach der <strong>Geschichte</strong> 272 (Eurotaoismus 292).<br />

25 Walter Benjamin, Über den Begriff der <strong>Geschichte</strong> (1940), Gesammelte Schriften, Bd. I.2, hg. v. R.<br />

Tiedemann / H. Schweppenhäuser, Frankfurt/M. 1974, 691–704.<br />

26 Rotermundt, Ende 148: „Was jedoch bei Fukuyama (…) als Ende der <strong>Geschichte</strong> bezeichnet wird, ist<br />

in der Sache allenfalls das Ende der Politik. Das aber mit dem möglichen Ende der großen –<br />

‚politischen‘ – Alternativen und Konflikte die <strong>Geschichte</strong> gleichermaßen zu Ende sei, läßt sich durch<br />

nichts rechtfertigen, am allerwenigsten durch die <strong>Geschichte</strong> selbst.“<br />

133

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!