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Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

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2.1 Typen des Endes<br />

2.1.1 Das Ende der <strong>Geschichte</strong> als Vollendung<br />

Ende der <strong>Geschichte</strong> meint hier, daß es nichts Neues mehr geben kann, allenfalls Wiederholungen.<br />

Dabei ist der Begriff der Vollendung zu differenzieren. Vollendung kann<br />

zum einen ausgesagt werden, weil das (vorausgesetzte) Ziel der <strong>Geschichte</strong> erreicht ist<br />

bzw. klar benannt und der Weg dorthin deutlich vorgeschrieben ist. Das Erreichen des<br />

Zieles kann auch antizipatorisch 15 verstanden werden. Zum anderen kann in einem uneigentlichen<br />

Sinn von Vollendung gesprochen werden, weil sich in der <strong>Geschichte</strong><br />

überhaupt kein Ziel feststellen läßt, auf das <strong>Geschichte</strong> zuliefe, sondern nur eine Pluriformität<br />

innerhalb eines vorgegebenen Rahmens. Ausgeschlossen ist be<strong>im</strong> Begriff Vollendung<br />

von vornherein ein zyklisches Verständnis von Zeit und <strong>Geschichte</strong>.<br />

2.1.2 Das Ende der <strong>Geschichte</strong> als Abbruch<br />

Ende der <strong>Geschichte</strong> meint hier die Unmöglichkeit eines weiteren Fortschritts. Die Unmöglichkeit<br />

ist dadurch gegeben, daß der Scheitelpunkt zur Katastrophe nahe oder bereits<br />

überschritten ist. 16 Vorausgesetzt ist dabei ein lineares Zeit- und Geschichtsverständnis.<br />

Definitive Aussagen über diesen Scheitelpunkt zu machen, dürfte schwierig<br />

sein. Vorsichtigerweise wäre wohl eher von einer katastrophischen Signatur zu reden,<br />

die jedenfalls Fortschritt <strong>im</strong> traditionellen Sinn desavouiert. Zu differenzieren wäre hier,<br />

ob es einen qualitativ anderen Fortschritt geben könnte, der <strong>im</strong>merhin Entwicklung auf<br />

Zukunft hin wäre; oder ob es einen Regreß geben könnte, der <strong>Geschichte</strong> retten würde.<br />

Als Abbruch der <strong>Geschichte</strong> ist neben dem Ende ihrer linearen Entwicklung auch ihr<br />

absolutes Ende denkbar, doch lassen sich darüber keine Aussagen machen.<br />

2.1.3 Das Ende der <strong>Geschichte</strong> als Moratorium<br />

Eine dritte Möglichkeit, den Abbruch zu vollziehen und zugleich zu vermeiden, schlägt<br />

Sloterdijk vor, wenn er es be<strong>im</strong> „Lassen“ belassen möchte, um die verbliebene Zeit als<br />

Frist und damit als möglichen Weg der Rettung zu begreifen. Ende der <strong>Geschichte</strong><br />

meint hier das Innehalten <strong>im</strong> Lauf der <strong>Geschichte</strong>. Ein Moratorium gewährt einen Aufschub.<br />

Dieser kann verstanden werden in einem linearen oder in einem zyklischen Verständnis<br />

von Zeit und <strong>Geschichte</strong>. Moratorium oder Frist signalisieren ein Innehalten,<br />

das aber zeitlich begrenzt ist und bewußt vollzogen wird oder auch <strong>im</strong> Blick auf die <strong>Geschichte</strong><br />

konstatiert wird. Das Innehalten kann in der Aufnahme alter Traditionen geschehen,<br />

die Rettung verheißen, wo der Fortschritt nur Untergang signalisiert. Es kann<br />

auch innerhalb der Verbindungen von Zyklus- und Fortschrittsideen mit unterschiedlicher<br />

Gewichtung geschehen. Es kann auch Raum bieten für Neues.<br />

Bei all diesen Überlegungen ist zu fragen, worauf sich die Rede vom Ende der <strong>Geschichte</strong><br />

eigentlich bezieht. Wird sie verstanden als philosophische Rede, also bezüglich<br />

15 Zum Begriff der Antizipation vgl. Lothar Kugelmann, Antizipation. Eine begriffsgeschichtliche Untersuchung,<br />

Göttingen 1986. Vgl. dazu unten 2.2.<br />

16 Vgl. etwa Carl Amery, Das Ende der Vorsehung, München 1972.<br />

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